Düsseldorf, 15. Mai (Reuters) - Thyssenkrupp schwankt auch fast ein Jahr nach dem Amtsantritt von Konzernchef Miguel Lopez zwischen Hoffen und Bangen.

Im ersten Halbjahr seines Geschäftsjahres 2023/24 (per Ende September) fuhr der Industriekonzern nach dem am Mittwoch vorgelegten Zwischenbericht unter dem Strich einen Verlust von 392 Millionen Euro ein. Im Gesamtjahr drohe ein Nettoverlust im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. Damit schraubte der Vorstand seine Prognose wie auch beim Umsatz das zweite Mal binnen weniger Monate herunter.

Lopez warb einmal mehr für den angepeilten Einstieg der Energie-Holding EPCG des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky in ein Stahl-Joint-Venture. "Ohne Energiepartnerschaften sieht es für den Stahlstandort Duisburg düster aus." Zudem sei die Nachfrage insgesamt für die Branche zu gering. Die Kosten seien zu hoch. Überkapazitäten drückten auf die Preise. "Billigimporte aus Asien machen uns das Leben schwer."

Auf die Frage nach möglichen Strafzöllen gegen Billigimporte legte sich Lopez nicht fest. "Wir müssen verstärkt einen Blick darauf richten, dass die Überkapazitäten nicht zu Dumping führen." Das sei ein Thema, mit dem man sich beschäftigen müsse. Thyssenkrupp sei mit dem Bund und der EU-Kommission im Gespräch.

Am 23. Mai will sich der Aufsichtsrat mit der zunächst geplanten Beteiligung der EPCG von 20 Prozent befassen. Vorgesehen ist ein 50:50-Joint-Venture. Die IG Metall und die Betriebsräte werfen Lopez mangelnde Transparenz vor, was der Manager zurückweist. Unter dem Motto "Stop. So nicht, Herr Lopez" rief die Gewerkschaft für den 23. Mai zu einer Demonstration vor der Konzernzentrale in Essen auf. Lopez verhandele im Geheimen über einen Teilverkauf der Stahlsparte und stelle Arbeitnehmer vor vollendete Tatsachen.

PROGNOSE DRÜCKT AUF AKTIENKURS

Wegen geringerer Preise und Absatzmengen in der Stahlsparte und im Materialhandel erwartet der Ruhrkonzern im Gesamtjahr einen Umsatz unter dem Vorjahresniveau. Zuletzt hatte Thyssenkrupp einen Wert auf dem Vorjahresniveau in Aussicht gestellt. Erst im Februar hatte das Traditionsunternehmen den Ausblick für Umsatz und Nettoergebnis gesenkt. Die Prognosen für das bereinigte Ebit und des am Markt vielbeachteten Free Cashflow vor M&A - also des Zuflusses liquider Mittel bereinigt um Zu- und Verkäufe - bestätigte es hingegen nun.

Der Markt reagierte dennoch verschnupft. Die Aktie verlor am Mittwoch zeitweise mehr als sieben Prozent. Auf die Stimmung drückte auch die Wasserstofftochter Thyssenkrupp Nucera, die von Auftragsverzögerungen wegen unklarer Vorgaben der Politik berichtete. Es gebe zwar inzwischen Fortschritte bei der Regulierung, sagte Nucera-Finanzchef Arno Pfannschmidt bei der Vorstellung der Quartalszahlen. Viele Investoren in Europa und Nordamerika warteten aber mit ihren Investitionsentscheidungen bis zur endgültigen Festlegung der Regeln ab. Das führe in den kommenden Quartalen bei Nucera zu einer geringeren Kostendeckung.

(Bericht von Tom Käckenhoff, Christoph Steitz und Anneli Palmen; redigiert von Thomas Seythal. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com)