ESSEN (awp international) - Der Stahlkonzern Thyssenkrupp erwägt laut Kreisen einen Börsengang seiner Stahlsparte. Hintergrund sei der wachsende Widerstand gegen einen Verkauf an den Branchenkollegen Liberty Steel, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Montag unter Berufung auf mit der Sache vertraute Personen. Demnach hatte der Aufsichtsrat das Management aufgefordert, eine Alternative für den Verkauf zu suchen. Zuvor hätten Gewerkschaftsvertreter und Grossaktionäre bezüglich der Veräusserungspläne Bedenken geäussert.

Die Aktie setzte sich nach den Nachrichten zeitweilig an die Spitze des MDax der mittelgrossen Werte und stieg zuletzt um gut 6 Prozent auf 9,81 Euro. Damit war der Aktienkurs wieder auf dem Niveau von Februar des vergangenen Jahres angekommen. An diesem Montag hatte bereits eine Hochstufung der Thyssenkrupp-Aktie von "Neutral" auf "Outperform" durch die französische Bank Exane BNP Paribas den Kurs angeschoben. Mit der Einstufung "Outperform" rechnen die Franzosen damit, dass sich die Aktie in den kommenden zwölf Monaten besser als der Sektor entwickeln wird. Exane BNP Paribas hatte zudem das Kursziel von 5,60 auf 11,70 Euro mehr als verdoppelt. Auch Analyst Bastian Synagowitz von der Deutschen Bank hob sein Kursziel von 8 auf 13 Euro deutlich an.

Ein Thyssenkruppsprecher sagte zu den Spekulationen um den Börsengang lediglich, die Entwicklung der Sparte im eigenen Haus bleibe eine Option. Liberty wollte keinen Kommentar abgeben. Auch Vertreter des grössten Anteilseigners, der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung, hätten sich kritisch hinsichtlich des möglichen Verkaufs geäussert, hiess es. Sie zweifeln demnach an der Realisierbarkeit des Angebots- und Finanzierungsmodells von Liberty Steel. Rund 21 Prozent der Thyssenkrupp-Aktien gehören der Stiftung. Zudem sitzt deren Vorsitzende, Ursula Gather, im Aufsichtsrat des Konzerns.

Ein Börsengang wäre ein erneuter Richtungswechsel, nachdem der Konzern schon seit Jahren nach einer Lösung für seine Stahlsparte sucht. Diese beschäftigt rund 27 000 Mitarbeiter und ist einer der führenden Metalllieferanten der deutschen Autoindustrie.

Thyssenkrupp kämpft schon länger ums Überleben: Die Corona-Pandemie hat die Lage im vergangenen Jahr aber noch verschärft. Die Umstände in der Stahlbranche aber haben sich etwas verbessert im vergangenen Jahr: Die Preise sind gestiegen, weil wegen des Lockdowns weniger Angebot vorhanden war, die Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte aber stärker gestiegen war als erwartet./knd/la/he