(neu: Schlusskurs)

FRANKFURT (dpa-AFX Broker) - Eine komplette Kehrtwende in der Strategie von Thyssenkrupp haben Anleger am Freitag enthusiastisch aufgenommen. Die in den vergangenen Monaten schwer angeschlagenen Papiere sprangen um mehr als 28 Prozent auf 14,40 Euro nach oben, nachdem es am Vortag noch auf den niedrigsten Stand seit fast 16 Jahren abgesackt.

Thyssenkrupp ist nach dem Kurssprung an der Börse nun wieder fast 9 Milliarden Euro wert und hält damit nicht länger die rote Laterne im Dax. Schlusslicht im deutschen Leitindex ist in puncto Marktwert nun das Spezialchemieunternehmen Covestro mit rund 8 Milliarden Euro.

Die geplante Stahlfusion mit dem Konkurrenten Tata Steel wird wohl nicht zustande kommen. Grund sind laut Thyssenkrupp die Wettbewerbsbedenken der Europäischen Kommission. Hinfällig ist damit auch die geplante Aufspaltung des Unternehmens in zwei Teile. Stattdessen erwägt Thyssenkrupp nun einen Börsengang seiner Aufzugsparte.

Einen "U-Turn" nannte Analyst Luke Nelson von der Bank JPMorgan das strategische Umdenken. Damit sei der Industriekonzern letztlich wieder zu dem zurückgekehrt, was viele Marktteilnehmer vor einem Jahr schon gehofft hätten. Das gelte besonders für den beabsichtigen Börsengang der Aufzugsparte. Der damit verbundene potenzielle Wertzuwachs für das Unternehmen dürfte den Druck auf den Aktienkurs mildern.

Dieser Druck war zuletzt immer größer geworden: Vom letzten markanten Hoch der Aktie bei 23,50 Euro Ende September war diese bis zum Vortag um mehr als die Hälfte eingebrochen. Es dürfte nicht zuletzt dieser große Börsenwertverlust gewesen sein, der das Management zur Umkehr bewogen habe, vermutete Analyst Christian Obst von der Baader Bank.

Mit einem Börsengang der Aufzugssparte könne Thyssenkrupp wieder mehr schaffen, urteilte Alan Spence vom US-Broker Jefferies. Diese sei das "Kronjuwel" im Portfolio der Essener und dürfte folglich bei Investoren auf großes Interesse stoßen. Der Experte wies darauf hin, dass die Aktien anderer Hersteller von Aufzügen wie Kone und Schindler an der Börse deutlich höher bewertet würden als gegenwärtig die Aufzugssparte als Teil des Thyssenkrupp-Konzerns.

Die Kurs-Rally der Aktie führte Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank primär darauf zurück, dass nun Klarheit im Hinblick auf die Zukunft von Thyssenkrupp geschaffen worden sei. Zudem habe der Markt sowohl das Joint Venture mit Tata Steel als auch eine Aufspaltung des Konzerns kritisch betrachtet. Der Experte sah sich in seiner Kaufempfehlung für die Papiere bestätigt.

Die hohen Kursgewinne könnten indes zumindest zum Teil auch technisch bedingt sein. JPMorgan-Analyst Luke Nelson schätzt den Anteil der aktuell leer verkauften Thyssenkrupp-Aktien auf rund elf Prozent aller frei handelbaren Papiere. Anleger setzen mit Leerverkäufen auf fallende Kurse. Steigen diese aber, müssen sie die Papiere am Markt zurückkaufen, um keine Verluste zu erleiden. Das treibt den Kurs weiter nach oben.

Während Thyssenkrupp-Aktionäre die Nachrichten feierten, reagierten die Anteilseigner von Tata Steel enttäuscht: Die auch in London notierten Aktien des indischen Stahlherstellers fielen um fünf Prozent. Das europäische Stahlgeschäft von Tata sei in den vergangenen zehn Jahren zumeist eine Belastung für Tata gewesen, merkte Analyst Pinakin Parekh von JPMorgan an. Eine grundlegende Neubewertung des Tata-Konzerns würde bei einem Scheitern des Joint Venture mit Thyssenkrupp weitgehend ausfallen./mis/bek/jsl/mis