Zürich (Reuters) - Die Aktionäre der Credit Suisse haben am Mittwoch den Weg frei gemacht für die geplante Bilanzaufpolsterung der krisengeplagten Schweizer Großbank.

Das Vertrauen der Kunden in das Institut bleibt jedoch angeschlagen: Trotz des Ende Oktober angestoßenen radikalen Konzernumbaus ziehen sie weiterhin Milliarden von ihren Konten ab. Auf Gruppenebene beliefen sich die Nettoabflüsse gemessen an den zum Ende des dritten Quartals verwalteten Vermögen auf rund sechs Prozent, wie die Credit Suisse bekannt gab. Vontobel-Analyst Andreas Venditti bezifferte die Nettoabflüsse damit auf 84 Milliarden Franken.

Das Management um Bank-Chef Ulrich Körner konkretisierte zudem die im Oktober abgegebene Verlustwarnung für das vierte Quartal und stellte für den Zeitraum Oktober bis Dezember vor Steuern einen Fehlbetrag von rund 1,5 Milliarden Franken in Aussicht. Das wäre der fünfte Quartalsverlust in Folge. Im Sog der sinkenden Einlagen und verwalteten Vermögen gehen die Zins-, Kommissions- und Gebühreneinnahmen zurück. Hinzu kommen negative Ertragseffekte durch den Ausstieg aus Nicht-Kerngeschäften.

"NETTOABFLÜSSE SIND BESORGNISERREGEND"

Im laufenden Quartal verunsicherten Berichte in den Medien Kunden der Bank soweit, dass sie einen Teil ihrer Gelder an andere Institute transferierten. Die Kundenflucht ließ die Liquiditätsquote (LCR), die den Bestand an erstklassigen liquiden Aktiva ins Verhältnis zu den Abflüssen von Barmitteln setzt, einbrechen. Dabei habe die Credit Suisse einzelne Mindestanforderungen der Regulatoren unterschritten und auf Cash-Reserven zurückgreifen müssen. Im Geschäft mit reichen internationalen Privatkunden seien die Abflüsse gegenüber den hohen Werten der ersten beiden Oktoberwochen inzwischen deutlich zurückgegangen und in der Schweiz-Einheit hätten sich die Kundenguthaben stabilisiert. In den kommenden Monaten rechnet die Credit Suisse weiter mit gedämpften Kundenaktivitäten.

An der Börse kamen die Neuigkeiten nicht gut an. Der Aktienkurs sackte in der Spitze um mehr als sechs Prozent ab. "Die massiven Nettoabflüsse im Wealth Management, dem Kerngeschäft der CS neben der Schweizer Bank, sind sehr besorgniserregend - umso mehr, als sie sich noch nicht umgekehrt haben", erklärte Vontobel-Analyst Venditti. "Die CS muss das Vertrauen so schnell wie möglich wiederherstellen - aber das ist leichter gesagt als getan."

EIGNER GENEHMIGEN KAPITALERHÖHUNG - MEHR EINFLUSS FÜR SAUDIS

Die überwiegende Mehrheit der Aktionäre stimmte bei einer außerordentlichen Generalversammlung zwei Transaktionen zu, mit denen die Bank insgesamt rund vier Milliarden Franken erlösen will. Mit dem Geld will die Credit Suisse, die im dritten Quartal einen Nettoverlust von vier Milliarden Franken eingefahren hatte, Zweifel an ihrer Stabilität ausräumen und einen tiefgreifenden Umbau hin zu einem risikoärmeren Geschäft finanzieren.

"Das Abstimmungsergebnis bestätigt das Vertrauen in unsere Strategie, die wir im Oktober vorgestellt haben", sagte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann. "Und es ist ein wichtiger Schritt beim Aufbau der neuen Credit Suisse." Der Manager, der im Januar in einem Notfall-Wechsel an die Spitze des Verwaltungsrats vorgerückt war, bezeichnete eine Erneuerung nicht nur aus strategischer und betrieblicher, sondern auch aus kultureller Sicht als zwingend notwendig. "Eine fest verankerte, solide Risikokultur ist daher ein grundlegender Faktor für uns."

Im Zuge der Kapitalerhöhung bauen Investoren aus dem Nahen Osten ihren Einfluss bei dem Zürcher Institut aus. Zu den bestehenden Eignern, dem Staatsfonds von Katar und der saudischen Olayan-Familie, kommt nun neu die teilweise im Besitz des Königreichs stehende Saudi National Bank. Trotz der Kapitalspritze hat die Credit Suisse noch einen steinigen Weg vor sich. Mit dem Abbau von 9000 Stellen und dem Ausstieg aus Teilen der Investmentbank will das Geldhaus in den kommenden Jahren wieder in die Erfolgsspur zurückfinden. Für 2025 peilt die Bank dann eine im Branchenvergleich immer noch bescheidene Eigenkapitalrendite von sechs Prozent an.

(Bericht von Paul Arnold, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)