Kopenhagen/Berlin (Reuters) - Northvolt-Mitgründer Peter Carlsson gibt seinen Chefposten bei dem angeschlagenen Batteriezellhersteller auf.
"Für mich persönlich ist das ein emotionaler Tag", sagte der frühere Tesla-Manager am Freitag. Northvolt sei für ihn wie ein Baby gewesen. Northvolt hatte am Donnerstag Gläubigerschutz nach US-Recht (Chapter 11) beantragt und sucht nach einem weiteren Investor. Carlsson sagte, um das Geschäft wieder auf die Spur zu bringen, würden zwischen 1,0 und 1,2 Milliarden Dollar benötigt. Northvolt galt noch vor ein paar Monaten als Hoffnungsträger der europäischen Branche für E-Auto-Batterien, hatte aber mit Produktionsproblemen und Finanzschwäche zu kämpfen. Binnen Tagen drohte Gerichtsunterlagen zufolge nun das Geld auszugehen.
"Im Rückblick waren wir überehrgeizig, was das Timing angeht", sagte Carlsson mit Blick auf die Produktionsziele des 2016 gegründeten Unternehmens, dessen größter Anteilseigner Volkswagen ist. Auch die US-Investmentbank Goldman Sachs und BMW gehören zu den Eigentümern. Carlsson sagte weiter, Chapter 11 ermögliche es Northvolt, sich neu zu organisieren, den Betrieb hochzufahren und zugleich die Verpflichtungen gegenüber Kunden und Lieferanten zu erfüllen. Dadurch könne sich die Firma dann langfristig positionieren.
INTERIMSLEITUNG AUCH BEI DEUTSCHEM MANAGER ARLETH
Daran kann Carlsson auch nach seinem Rücktritt als Chef mitwirken: Northvolt erklärte, der 54-Jährige bleibe im Aufsichtsrat des Unternehmens und fungiere als führender Berater. Die Suche nach einem neuen Vorstandschef laufe bereits. Aktuell werde der Konzern von Finanzchefin Pia Aaltonen-Forsell und dem zum COO aufrückenden Manager Matthias Arleth geleitet. Arleth war bis 2022 Chef des Stuttgarter Kolbenherstellers Mahle, musste aber nach nur vier Monaten gehen. Mahle, Zulieferer für die Produktion von Verbrenner-Autos, hatte damals häufig die Vorsitzenden der Geschäftsführung ausgetauscht.
Northvolt beschäftigt rund 6660 Menschen in sieben Ländern. Im schleswig-holsteinischen Heide war im März der Startschuss gegeben worden für den Bau einer neuen Batteriefabrik. Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck verteidigten damals die Staatshilfen von mehr als 900 Millionen Euro als Investition in Jobs und Nachhaltigkeit.
WIRTSCHAFTSMINISTERIUM: FÖRDERMITTEL NOCH NICHT ABGERUFEN
Insgesamt geht es um Subventionen in Höhe von 902 Millionen Euro - 700 Millionen davon sind Zuschüsse, 202 Millionen Garantien. Am Freitag erklärte das Bundeswirtschaftsministerium, die Situation werde genau beobachtet. "Fördermittel sind noch nicht in Anspruch genommen", sagte ein Sprecher. Das Unternehmen habe auch selbst gesagt, es plane das derzeit nicht. Zu einer möglichen Wandelanleihe werde sich das Ministerium während des laufenden Restrukturierungsverfahrens nicht äußern.
Der Antrag auf Gläubigerschutz ist ein Rückschlag für die europäischen Bemühungen, sich mit einer eigenen Batterie-Industrie unabhängiger von chinesischen Herstellern wie CATL und BYD zu machen. Northvolt will die weltweit umweltfreundlichsten Batterien produzieren. Doch die Firma hat noch nie einen Gewinn erwirtschaftet und kämpft mit Qualitätsproblemen und Verzögerungen. Wegen wegbrechender Aufträge und Problemen beim Hochfahren der Produktion hatte sie zuletzt bereits ihre Ausbaupläne massiv eingedampft, Tausende Mitarbeiter entlassen und Tochtergesellschaften verkauft.
(Bericht von Stine Jacobsen und Markus Wacket, geschrieben von Elke Ahlswede. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an die Redaktionsleitung unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)