Von Telis Demos

NEW YORK (Dow Jones)--Nichts könne golden bleiben, heißt es in einem Herbstgedicht des Poeten Robert Frost. Außer womöglich die Aktien von Goldman Sachs.

Während die großen Geschäftsbanken durch die Auflösung von Rückstellungen für Kreditausfälle enorme Gewinnsteigerungen verzeichnen konnten, ist dies bei Goldman Sachs nicht der Fall. Das liegt daran, dass das Unternehmen nicht in gleichem Maße als Kreditgeber tätig ist.

Stattdessen erzielt die Bank derzeit außergewöhnlich hohe Gewinne mit speziellen Wall-Street-Geschäften wie Fusionen und Übernahmen. Diese leisten einen deutlich höheren Beitrag zu den Ergebnissen als bei vielen Konkurrenten. Die Einnahmen aus Leistungen im Bereich Financial Advisory haben sich im dritten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum mehr als verdreifacht. In den ersten drei Quartalen 2021 sind sie gegenüber dem Vorjahr auf das Doppelte gestiegen.


   Eigenkapitalrendite deutlich über Plan 

Für das Ergebnis ist dies deshalb von so großer Bedeutung, weil es sich hierbei um ein hocheffizientes Geschäft handelt, das relativ wenig Kapital erfordert und eine große operative Hebelwirkung hat. Die durchschnittliche Eigenkapitalrendite der Investment-Banking-Einheit lag im dritten Quartal bei enormen 70 Prozent auf Jahresbasis. Insgesamt erzielte Goldman Sachs im dritten Quartal eine annualisierte Eigenkapitalrendite von fast 23 Prozent - weit über dem mittelfristigen Ziel von 13 Prozent, das sich die Bank selbst gesteckt hat.

Doch irgendwann in diesem Konjunkturzyklus werden Unternehmen und Private-Equity-Firmen aufhören, in einem derart halsbrecherischen Tempo Akquisitionen zu tätigen. Das Beratungsgeschäft ist bekanntermaßen unbeständig und stark zyklisch. Die Frage, die sich den Anlegern dann stellt, ist, ob andere Geschäftsbereiche weiterhin auf hohem Niveau arbeiten oder sich sogar verbessern können, um sicherzustellen, dass die Bank auf dem richtigen Weg bleibt. Dies gilt vor allem mit Blick auf eine Welt, in der mit dem Ende der Pandemie wieder Normalität einkehrt. Wird das Geschäft dann noch nachhaltig sein, und kann die Bank ihre Ergebnisse weiter steigern?

Der Bereich Global Markets der Bank erzielte im dritten Quartal eine Rendite von rund 19 Prozent und lag damit ebenfalls deutlich über dem erklärten Ziel. Die Handelsabteilungen haben von Marktanteilsgewinnen bei Großkunden und Verbesserungen bei der Kapitaleffizienz profitiert. Damit könnten gute Ergebnisse auch künftig gestützt werden. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass diese Bereiche noch einige Zeit auf relativ hohem Niveau arbeiten, auch wenn sich die Marktaktivität etwas normalisiert.


   Endkundengeschäft weiterhin schwach 

Die Vermögensverwaltung bleibt eine volatile Größe, da ihre Ergebnisse von der Marktentwicklung hinsichtlich der Anlagepositionen der Bank abhängen können. Insgesamt aber dürfte die Richtung hin zu dauerhaft höheren Renditen gehen, da die Bank Vermögenswerte veräußert und Kapital freisetzt, während sie gleichzeitig die Gebühren für die Verwaltung von Vermögenswerten über Drittfonds, die sie aufnimmt, erhöht. Die Bank kündigte weitere Verkäufe von Vermögenswerten an. Allein diese könnten zwei Milliarden US-Dollar an Kapital freisetzen.

Die Bereiche Consumer Banking und Wealth Management, in die die Bank investiert, um hier langfristig eine größere Rolle zu spielen, belasten die Gesamt-Eigenkapitalrendite immer noch mit etwa sieben Prozent. Anleger mögen nun darüber diskutieren, ob sich diese Anstrengung wie erhofft irgendwann auszahlt.

Dann gibt es noch eine Bezugsgröße für die Höhe der Rendite. Diese drückt aus, wie viel Eigenkapital das Unternehmen vorhalten muss. Diesbezüglich existiert ein gewisser Druck. Die Bank erklärte, dass Neubeurteilungen zu einer Erhöhung der risikogewichteten Größen ihrer Aktiva führten, wodurch das Polster der Eigenkapitalquote der Bank gegenüber den Anforderungen schrumpfte.

Viele Banken sind außerdem dabei, neue Regeln zur Bestimmung des Kreditausfallrisikos einzuführen, was laut Goldman zu einer geringen zusätzlichen Belastung der Eigenkapitalquote führen könnte. Im Laufe der Zeit dürfte die Umschichtung von Vermögenswerten aus der Bankbilanz in Drittfonds jedoch die von der Federal Reserve auferlegten stressbasierten Kapitalanforderungen senken, was zu einem größeren Polster führen und das Potenzial der Eigenkapitalrendite erhöhen würde.


   Aktie hat noch Luft nach oben 

Die Aktien von Goldman Sachs legten aufgrund der Ergebnisse um mehr als zwei Prozent zu. Gleichzeitig werden sie immer noch nur mit dem 1,5-fachen des materiellen Buchwerts gehandelt. Damit liegen sie etwa einen Prozentpunkt unter Morgan Stanley und sogar ein paar Ticks unter dem Branchendurchschnitt der Banken im S&P 500.

Für die Aktionäre bedeutet das noch einiges an Aufwärtspotenzial, sofern der Markt überzeugt werden kann, dass, überdeckt vom Lärm der letzten wilden Quartale, die Grundlagen für eine weitere Verbesserung der Rendite geschaffen wurden.

Angesichts der starken Abhängigkeit anderer Banken von externen Faktoren wie Zinssätzen und Kreditnachfrage könnte sich die Goldman-Aktie noch als lohnendes Geschäft erweisen.

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October 18, 2021 04:33 ET (08:33 GMT)