NEW YORK (dpa-AFX) - Auf die rasante Talfahrt der Boeing-Aktie im jüngsten Börsencrash folgt am Donnerstag eine Fortsetzung der beeindruckenden Erholung. Nicht zuletzt ist dies auch der Hoffnung auf Staatshilfen zu verdanken.

Das Papier des schwer gebeutelten US-Flugzeugbauers, das vor etwas mehr als einer Woche auf ein Siebenjahrestief bei 89 US-Dollar gestürzt war, wurde zuletzt bereits wieder über 180 US-Dollar gehandelt. In der Spitze stieg die Aktie im Handelsverlauf bis auf 186,48 Dollar. Rund zweieinhalb Stunden nach dem US-Börsenstart legte sie noch um 15,10 Prozent auf 182,70 Dollar zu. Bis zum Vor-Krisenniveau bei rund 336 US-Dollar ist es allerdings immer noch ein weiter Weg.

Laut JPMorgan-Analyst Seth Seifman hat die Boeing-Aktie ihre fulminante Erholung vor allem der Kombination aus verschiedenen Aspekten zu verdanken. Einerseits sei nach dem herben Ausverkauf eine starke umgekehrte Dynamik feststellbar. Andererseits müssten sich all jene, die die Aktie nur ausgeliehen und in Erwartung weiter fallender Kurse leer verkauft hätten, eindecken, um ihre Verluste zu begrenzen. "Fundamental betrachtet, herrscht außerdem Optimismus über eine Unterstützung durch die Regierung, wodurch einige negative Extremszenarios vom Tisch sind", schrieb Seifmann.

Wo es für Boeing hingehe, hänge nun zum Teil von der Struktur der Staatshilfen ab, die wohl in den kommenden Tagen und Wochen klarer werden dürften. Auch die Barmittelgenerierung in diesem Jahr nach der Coronavirus-Zeit dürfte ausschlaggebend sein.

Vor nicht allzu langer Zeit sei Boeing auf gutem Weg gewesen, um mehr als 30 US-Dollar an freiem Barmittelfluss (FCF) je Aktie zu generieren, so der JPMorgan-Experte. Dies sei allerdings vor der 737-Max-Krise gewesen - als dieser Flugzeugtyp nach zwei kurz nacheinander erfolgten Abstürzen aus dem Verkehr gezogen wurde - und vor der Coronavirus-Krise. Inzwischen seien 15 bis 20 Dollar FCF je Aktie realistischer, auch wenn dies Zeit brauchen dürfte.

Zwar erwartet Seifman eine positive Geschäftsentwicklung für Boeing in den kommenden Jahren, insbesondere sobald 737er-Flugzeuge wieder ausgeliefert und ein positiver Barmittelfluss erwirtschaftet werde.

"Die Kapitalstruktur bleibt aber ein Hindernis", betonte er, der die Aktie mit "Neutral" und einem Kursziel von 130 Dollar bewertet. "Boeing dürfte das Jahr 2020 mit gut über 30 Milliarden Dollar an Nettoschulden beenden oder womöglich sogar mehr als 40 Milliarden Dollar, wohingegen das Ziel jedoch wohl null sein sollte." So dürfte es wohl bis mindestens 2022 dauern, um einen FCF von rund 10 Milliarden Dollar zu erreichen und selbst mit anschließendem Wachstum werde es dauern, bis zu Schulden zurückgezahlt seien.

Auch das Anlageurteil von Analyst Wolfgang Donie von der NordLB lautet für Boeing "Neutral". Zwar werde sich die ganze Industrie infolge der Virus-Krise nachhaltig verändern und kurz- bis mittelfristig zunächst deutlich schrumpfen. Die Luftfahrtbranche aber dürfte etwa doppelt so stark wie die Gesamtwirtschaft belastet werden. Das treffe dann unweigerlich auch die Flugzeughersteller, wobei Boeing hinsichtlich des Produktsortiments aktuell schwächer aufgestellt sei als Airbus.

Boeing sei "durch die B737-Max-Krise ohnehin schwer belastet" und die Liquiditätssituation werde zunehmend angespannter. "Das Unternehmen als größter Exporteur der USA dürfte aber als systemrelevant eingestuft werden und bei Bedarf von staatlicher Seite entsprechend gestützt werden", erwartet er./ck/jsl/he