Frankfurt/Berlin (Reuters) - Ein mögliches Verbot von Komponenten chinesischer Firmen wie Huawei oder ZTE in deutschen Handy-Netzen treibt die Mobilfunk-Anbieter auf die Barrikaden.
Außerdem rissen die Vorschläge des SPD-geführten Bundesinnenministeriums (BMI) Gräben in der Berliner Ampel-Koalition wieder auf. Das Verkehrs- und Digitalministerium unter seinem Chef Volker Wissing von der FDP mahnte zur Vorsicht.
Regierungskreisen zufolge soll der Einsatz kritischer Komponenten der beiden chinesischen Hersteller im 5G-Kernnetz ab dem 1. Januar 2026 verboten werden. Für das sogenannte Zugangs- und Transportnetz sieht der Vorschlag des Bundesinnenministeriums eine Reduzierung der Huawei- und ZTE-Komponenten auf durchschnittlich 25 Prozent vor. In besonders sensiblen Regionen wie Berlin mit dem Regierungssitz oder der Industrieregion Rhein-Ruhr solle der Anteil sogar bei Null liegen.
Der vorgeschlagene Ausbau von Huawei- und ZTE-Komponenten sei so nicht umsetzbar, teilte die Deutsche Telekom am Mittwoch mit. "Mit Blick auf Genehmigungsverfahren, verfügbare Kapazitäten bei alternativen Lieferanten und den von Kundschaft und Politik gewünschten weiteren Mobilfunkausbau ist ein Zieldatum bis 2026 realitätsfern. Uns erschließt sich nicht, warum den deutschen Mobilfunkkunden vom BMI ohne Not wesentliche Qualitätsverluste zugemutet werden sollen."
Die O2-Mutter Telefonica Deutschland pochte auf längere Übergangsfristen, um Störungen im Mobilfunknetz zu vermeiden. "Für einen rückwirkend notwendigen Umbau des Netzes würde Telefonica zudem Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland prüfen." Außerdem behalte sich das Unternehmen vor, eine potenzielle Entscheidung zur Untersagung von Komponenten oder Lieferanten gerichtlich überprüfen zu lassen.
Neben den betroffenen Unternehmen regte sich auch beim Digitalministerium Widerstand. "Es gibt hier keine Entscheidung der Bundesregierung", betonte ein Sprecher. Bei möglichen Maßnahmen dürfe das Ziel eines stabilen, schnellen und bezahlbaren mobilen Internets nicht gefährdet werden. Ähnlich äußerte sich Vodafone. "Wir müssen einen Weg finden, der Deutschlands digitale Infrastruktur optimal schützt, der aber nicht zulasten von Millionen Smartphone-Nutzern geht." Das BMI will ab kommender Woche die finale Abstimmung der aktuellen Vorschläge innerhalb der Bundesregierung beginnen.
Wegen möglicher Spionage und Sabotage im Auftrag der chinesischen Regierung steht Huawei seit mehreren Jahren auf einer schwarzen Liste der USA. Auch andere westliche Staaten sehen vor allem den Einsatz von Komponenten der Firma in Mobilfunknetzen kritisch. Der Konzern hat den Spionagevorwurf stets zurückgewiesen. "Huawei ist seit über 20 Jahren in Deutschland tätig und ist ein verlässlicher Lieferant innovativer Technologien mit sehr guter Sicherheitsbilanz", betonte ein Sprecher.
Der Bund hatte bereits vor längerem die Hürden für den Einbau von Huawei- und ZTE-Komponenten angehoben. Er gilt innerhalb der Europäischen Union (EU) aber als Nachzügler. Die Staatengemeinschaft hatte sich vor drei Jahren darauf geeinigt, keine Teile von "Hochrisiko-Anbietern" mehr in europäischen Mobilfunknetzen zu verbauen. Schweden verbannt zum 1. Januar 2025 chinesische Bauteile aus seinen Handy-Netzen. In Großbritannien sollten Huawei-Komponenten bis zum Jahresende aus den Kernnetzen verschwinden.
HOHE KOSTEN FÜR AUSBAU VON HUAWEI-KOMPONENTEN
Bislang verbauen Telekom-Firmen in einzelnen Regionen ihre Handy-Netze meist mit der Hard- und Software eines einzigen Herstellers. Eine Alternative hierzu ist die sogenannte OpenRAN-Technologie, bei der Antennen und zum Betrieb notwendige Programme von verschiedenen Anbieter kommen können. Experten zufolge ist diese Technologie aber noch nicht ausgereift.
Sollte der Bund die Konzerne zu einem Ausbau von Komponenten aus bestehenden Netzen verpflichten, rollen milliardenschwere Zusatzkosten auf die Betreiber zu. Diese sind meist schon jetzt hoch verschuldet und müssen die Kosten für den Ausbau ihrer Mobilfunk- und Glasfasernetze stemmen. In den USA fordert die Branche der dortigen Aufsichtsbehörde zufolge für den Austausch beanstandeter Komponenten staatliche Beihilfen in Höhe von 5,6 Milliarden Dollar.
(Bericht von Hakan Ersen und Andreas Rinke, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)