GÖPPINGEN (dpa-AFX) - Der scharfe Absturz beim Softwareanbieter Teamviewer sorgt in der obersten Führungsriege für einen weiteren Abgang. Marketing-Chefin Lisa Agona, erst im April in den Vorstand bestellt, werde das Unternehmen in beiderseitigem Einvernehmen wieder verlassen, teilte das MDax-Unternehmen am Mittwoch in Göppingen anlässlich einer Investorenveranstaltung mit. In einer Konferenz mit Analysten sagte Vorstandschef Oliver Steil, man brauche nach dem schwachen Abschneiden der vergangenen Quartal nun im Marketing eine andere Ausrichtung. Daraufhin sei man mit Agona übereingekommen, sich zu trennen.

Bereits Mitte Oktober hatte der auf Fernwartung und Videokonferenzen spezialisierte Anbieter angekündigt, dass der bis 2022 laufende Vertrag von Finanzchef Stefan Gaisers nicht verlängert wird. Die eigentlich geplante Vergrößerung des Vorstands von drei auf vier Personen ist wieder vom Tisch. Nach dem Abgang von Agona sucht Teamviewer nun jeweils einen Manager oder eine Managerin für den Bereich Finanzen als auch für das Marketing.

Teamviewer hat ein sehr schwieriges Jahr hinter sich. Der Aktienkurs stürzte in diesem Jahr bislang um über zwei Drittel ab, nachdem das Unternehmen lange als Corona-Gewinner gegolten hatte. Am Mittwoch Nachmittag lag das Papier mit mehr als sechs Prozent im Minus bei 13,61 Euro.

Teure Sponsoringverträge mit dem englischen Fußballclub Manchester United und dem Mercedes-Formel-1-Team sorgten im März für die erste, scharfe Prognosesenkung. Nach zwei schwachen Quartalen musste Teamviewer Anfang Oktober nochmals scharf nachkorrigieren. Der Vorstand kassierte dabei auch gleich die ambitionierten Mittelfristziele für 2023, die er dem Unternehmen erst im Februar gesetzt hatte. Der Aktienkurs fiel allein an einem Tag um rund ein Viertel. Derzeit ist Teamviewer an der Börse noch 3 Milliarden Euro wert. In der Spitze waren es beim Hoch von 54,86 Euro im Juli 2020 rund 11 Milliarden Euro.

An seinen zuletzt gesenkten Prognosen für dieses Jahr und der mittelfristigen Perspektive hält das Unternehmen fest. Weil die Geschäfte in Asien zuletzt auch deutlich unter den Erwartungen blieben, soll für die Region ein neuer hauptverantwortlicher Manager in einer neuen Organisationsstruktur gefunden werden.

Weil die Geschäfte zuletzt lange nicht mehr so stark wuchsen und sich die Probleme als beständiger erwiesen als zunächst gedacht, legt Steil nun auch ein Verbesserungsprogramm über die kommenden Quartale auf. Dieses soll das Geschäftswachstum ankurbeln und die zuletzt deutlich gestiegenen Kosten im Zaum halten.

In diesem Zuge sollen die in der starken Wachstumsphase angeheuerten Arbeitskräfte fokussierter eingesetzt und die Kernprodukte für kleine und mittlere Unternehmen wieder attraktiver werden. Im Einstiegssegment seiner Programme wie der Fernwartung von Rechnern bekam Teamviewer zuletzt zunehmend Konkurrenz zu spüren.

Mit dem Marketing sei man zuletzt nicht mehr glücklich gewesen, sagte Steil. Wichtig ist für Teamviewer vor allem, Interessenten an Programmen rund um Konnektivität im Internet an sich zu binden. Dazu soll das digitale Marketing forciert werden.

Die kostspieligen und daher viel kritisierten Sportpartnerschaften mit Manchester United und dem Mercedes-Formel-1-Team sollen darüber hinaus dafür sorgen, dass der Name "Teamviewer" unter großen Firmenkunden bekannter wird, insbesondere für die zugekauften Softwarebereiche rund um Augmented Reality. Dabei geht es unter anderem darum, dass Techniker und Wartungsfachleute auf Datenbrillen und anderen Geräten etwa Bau- und Schaltpläne von Maschinen angezeigt bekommen, an denen sie gerade arbeiten.

Steil will ohnehin noch mehr Fokus auf den lukrativen Markt mit großen Firmenkunden in dem "Enterprise" getauften Segment legen. Hier, wo Kunden ein Vertragsvolumen von mehr als 10 000 Euro Umsatz jährlich haben, lief das Geschäft auch zuletzt erstaunlich rund. Künftig werde das stärkere Wachstum für Teamviewer genau aus diesem Bereich kommen, sagte Steil auf dem Kapitalmarkttag.

Nicht zuletzt will Teamviewer die zuletzt stark gewachsene Organisation verschlanken und Ausgaben einschränken, wo möglich. Bereits mit der Prognosesenkung Anfang Oktober hatte Stiel gesagt, dass er sich sehr genau anschauen wolle, wo der Konzern eventuell auch zu schnell gewachsen sei.

Teamviewer hatte mit dem harten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 einen starken Boom bei der Nachfrage nach Programmen für das Arbeiten von zuhause erlebt, die sich aber nicht verstetigen ließ. Tatsächlich ließen in diesem Jahr mehr Kunden ihre vergangenes Jahr abgeschlossenen Verträge auslaufen als vom Unternehmen gedacht. Dies setzte das Wachstum unter Druck./men/stw/mis