FRANKFURT (dpa-AFX) - Die US-Bank Goldman Sachs rät innerhalb der europäischen Chemiebranche zur Umschichtung. Während die Energiepreise weiter steigen könnten, könnte es im breiteren Marktumfeld zugleich zu einem Rückgang der Inflationrate in der ersten Jahreshälfte 2023 kommen, erwartet Analystin Georgina Fraser laut einer am Montag vorliegenden Sektorstudie. Die Gründe sieht sie in einer Kombination aus Lagerbestandsabbau, dem Trend hin zu günstigeren Produkten, schwachen Endmärkten und einem Überangebot in einigen Wertschöpfungsketten.

Fraser empfiehlt daher, Aktien von Unternehmen wie beispielsweise Industriegaseherstellern den Rücken zu kehren. Diese seien unter anderem wegen Klauseln zur Weitergabe der Energiepreise Profiteure einer Inflation. Dagegen sollten sich Investoren vielmehr solchen Unternehmen zuwenden, die von deflationären Tendenzen profitierten, also etwa Herstellern von Farben und Lacken wie Akzo Nobel.

Lanxess ist innerhalb der von Fraser beobachteten europäischen Werten aus der Branche dasjenige Unternehmen mit der noch schwächsten Bilanz. "Unsere Prognose einer Deflation der Rohstoffpreise dürfte zu einer starken Entlastung des Betriebskapitals führen", argumentiert die Expertin. Das impliziert, dass der freie Mittelzufluss vor einem positiven Wendepunkt stehe. Dieser Free Cashflow ist wichtig unter anderem für die Investitionsfähigkeit von Unternehmen sowie mit Blick auf Dividendenzahlungen. Daher stufte sie die Papiere von Lanxess, das besonders stark unter hohen Ölpreisen gelitten habe, von "Neutral" auf "Buy" hoch und erwartet künftig ein besseres Risiko-Ertragsverhältnis.

Zugleich stehe Lanxess vor einer deutlichen Schuldenverringerung. So bringt der Konzern für reichlich Geld sein Geschäft mit Hochleistungskunststoffen für die Auto- und Elektroindustrie in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Beteiligungsgesellschaft Advent ein, das im gleichen Zuge in einem Milliardendeal das Kunststoffgeschäft Engineering Materials des niederländischen Konzerns Royal DSM übernimmt.

Fraser ist zudem positiv gestimmt für das Wachstum im kommenden Jahr. Viele Investoren hätten zwar kein Vertrauen in die Wachstumsaussichten, sie dagegen sehe Potenzial für einen Wiederauffüllungszyklus der Lager in der Branche, was den Absatz ab Mitte 2023 stützen sollte. "Phasen einer rückläufigen Inflation haben in der Vergangenheit zu einer besseren Nachfrage geführt, da sich die Verbraucherstimmung und die Kaufkraft verbesserten", schrieb Fraser.

Zudem, so ergänzte sie, seien die Wirtschaftsexperten von Goldman Sachs optimistischer als der Durchschnitt, wenn es um das weltweite Wachstum gehe. Entsprechend folgert Fraser: "Wir halten es für wahrscheinlicher, dass sich die industriellen Endmärkte, die sich bereits in einem Nachfragetief befinden, 2023 erholen werden. Wir bleiben aber vorsichtig mit Blick auf das Baugewerbe, dem dagegen ein ausgedehnter Abschwung bevorsteht."

Die mit "Buy" bewertete Aktie des Kunststoffherstellers Covestro nennt die Goldman-Analysten ihre Favoritin für eine mögliche Nachfrageerholung und hob deren Kursziel von 44,00 auf 47,00 Euro an. Bei Evonik indes verwies sie auf ein Überangebot an dessen Produkten und beließ die Aktie auf "Sell" trotz eines von 16,70 auf 19,10 Euro angehobenen Kursziels.

Ihr Anlageurteil für Symrise revidierte sie dagegen von "Buy" auf "Neutral", obwohl sie ihr Kursziel von 116,00 Euro beibehielt. Im Vergleich zu direkten Wettbewerbern habe sich die Aktie des deutschen Duftstoffe- und Aromenherstellers bereits besser entwickelt, so das Argument für ihre Abstufung.

Fraser bekräftigte außerdem ihr Anlageurteil "Buy" für Clariant und senkte das Kursziel leicht von 20,70 auf 20,20 Euro. Zugleich ergänzte sie, dass eine Wende beim freien Barmittelzufluss die Aussichten auch für Umicore und Akzo Nobel sowie allgemein für die breit aufgestellten Chemiekonzerne verbessern könnte. BASF etwa wird von ihr eingestuft mit "Neutral" und einem von 47,00 auf 54,00 Euro angehobenen Kursziel.

Mit "Buy" eingestuft rechnet Goldman Sachs auf dem aktuellen Kursniveau sowie im Vergleich zu den anderen von der Bank beobachteten Unternehmen aus der gleichen Branche mit einem hohen Renditepotenzial. Mit "Neutral" eingestuft, erwartet die US-Bank ein eher durchschnittliches Renditepotenzial und mit "Sell" eingestuft ein unattraktives Renditepotenzial./ck/tih/mis

Analysierendes Institut Goldman Sachs.

Veröffentlichung der Original-Studie: 27.11.2022 / 21:19 / GMT

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