Luzern (awp) - Die Aktionäre des Stahlproduzenten Swiss Steel haben am Dienstag an der ausserordentlich und virtuell durchgeführten Generalversammlung einer weiteren Kapitalerhöhung zugestimmt. Den Plänen zufolge werden dem finanziell angeschlagenen Konzern brutto 200 Millionen Euro zufliessen.

Gut zwei Drittel der an der GV vertretenen Aktionärsstimmen waren für das Vorhaben, wie die frühere Schmolz+Bickenbach mitteilte. Dabei nahmen 88,6 Prozent des stimmberechtigten Kapitals an der Abstimmung teil.

Die Annahme der Finanzspritze war trotz des Widerstands einiger Aktionäre so gut wie klar. Schliesslich hatte Grossaktionärin BigPoint von Investor und Amag-Eigentümer Martin Haefner mit einem Anteil von knapp 50 Prozent die Zustimmung zugesichert.

1 Milliarde neue Aktien

BigPoint hatte sich darüber hinaus im Vorfeld dazu bereit erklärt, alle eigenen Bezugsrechte auszuüben und allenfalls Aktien, die von bestehenden Aktionären nicht bezogen oder nicht anderweitig platziert werden, zu übernehmen. Diese Absicht bekräftigte BigPoint am Dienstagmorgen in einer Mitteilung von Swiss Steel.

Swiss Steel machte zudem Details zur geplanten Kapitalerhöhung bekannt. Insgesamt sollen 1,03 Milliarden neue Aktien zu einem Mindestpreis von 21 Rappen das Stück ausgegeben werden. Den Aktionären wird für jede am 11. Januar 2021 gehaltene Aktie ein Bezugsrecht für den Kauf von neuen Titeln angeboten. Für 124 Bezugsrechte gibt es 63 neue Aktien.

Die Frist für den Bezug neuer Aktien läuft vom 12. bis am 19. Januar 2021. Der Ausgabepreis für neue Aktien, welche von den bisherigen Aktionären nicht bezogen wurden, soll anschliessend in einem Bookbuilding-Verfahren festgelegt werden und mindestens 21 Rappen betragen.

Das frische Geld will das hoch verschuldete Unternehmen laut eigenen Angaben zur Stärkung des Eigenkapitals und zur Verbesserung der Finanzierungs- und Kreditbedingungen einsetzen.

Umstrittene Kapitalerhöhung

Die Kapitalaufnahme ist umstritten. Allen voran stemmte sich die zweite Grossaktionärin Liwet um den russischen Milliardär Viktor Vekselberg dagegen. Mit einer Anzeige bei der Übernahmekommission will sie erreichen, dass BigPoint ein generelles Übernahmeangebot unterbreiten muss. Davon wurde BigPoint von der Finanzmarktaufsicht Finma vor rund einem Jahr befreit.

Zudem lehnte eine Aktionärsgruppe, die unter dem Namen "Interessengemeinschaft der unzufriedenen Kleinaktionäre der Swiss Steel" (IGUK) auftritt, diese "unnötige Aktienkapitalerhöhung" ab. Die Transaktion ohne öffentliches Kaufangebot und die damit verbundene Gewinnverwässerung geht laut IGUK klar zu Lasten der Minderheitsaktionäre.

Alder tritt ab

Anlässlich der Generalversammlung vom Dienstag ist desweiteren Jens Alder als Verwaltungsratspräsident abgetreten. Alder sieht seine Aufgabe nach dem Zustandekommen der beschlossenen Kapitalerhöhung als erfüllt an. Für die verbleibende Amtszeit bis zur GV 2021 übernimmt der bisherige Vizepräsident Heinrich Christen die Leitung im Verwaltungsrat.

Und am Montagabend gab Swiss Steel einen Wechsel in der Chefetage bekannt. Der amtierende CEO Clemens Iller tritt zurück und will damit den Weg für einen "personellen Neuanfang in der Führung des Konzerns" frei machen. Sein Nachfolger Frank Koch soll spätestens Anfang 2022 das Zepter übernehmen.

Koch wechselt vom deutschen Stahlproduzenten GMH, wo er als CEO amtet, zu Swiss Steel. Bis zu seinem Antritt bei Swiss Steel werde Clemens Iller der Gruppe bis auf weiteres beratend zur Seite stehen, hiess es.

Aktie gewinnt

An der Börse begrüssen Anleger und Analysten die Kapitalaufnahme und die weiteren Weichenstellungen und Führungswechsel zum Umbau der Gruppe. Die Aktie von Swiss Steel wird gegen 12.15 Uhr 4,1 Prozent höher zu 0,23 Franken gehandelt.

Die Kapitalerhöhung sei zu begrüssen, "da sie das Überleben und die langfristige Entwicklung des Unternehmens sichern soll", schreibt die ZKB. Die Gruppe befinde sich in einem tiefgreifenden Umbau, der erst 2024 abgeschlossen sein werde.

mk/tt