(neu: Aussagen der Swiss Re zu weltweiten Deckungslücken, Aktienkurse aktualisiert)

MONTE CARLO (dpa-AFX) - Ein Jahr nach den schweren Hurrikan-Schäden in den USA scheinen die Preiserhöhungen im Rückversicherungs-Geschäft schon wieder ein Ende zu finden. Nach dem Weltmarktführer Munich Re begruben am Montag auch der Branchenzweite Swiss Re und der weltweit viertgrößte Rückversicherer Hannover Rück ihre Hoffnungen, dass sie nach 2018 auch 2019 noch einmal an der Preisschraube drehen könnten. Am Ende werde es darauf ankommen, ob es in diesem Jahr noch weitere Großschäden gebe, sagte Hannover-Rück-Chef Ulrich Wallin am Montag beim Branchentreffen in Monte Carlo.

So seien derzeit mit "Florence", "Olivia" und "Isaac" wieder drei Hurrikane in der Karibik unterwegs. Wohin diese ziehen, ist aber unklar. "Voraussagen zur Hurrikansaison sind mehr eine Kunst als eine Wissenschaft", sagte Wallin. Im vergangenen Jahr hatten die Wirbelstürme "Harvey", "Irma" und "Maria" in den USA und der Karibik Milliardenschäden angerichtet. Mit versicherten Schäden von rund 135 Milliarden US-Dollar (117 Mrd Euro) wurde 2017 zum schwersten Naturkatastrophenjahr in der Geschichte der Versicherungsbranche.

Am Finanzmarkt sorgten die trüben Preisaussichten für wenig Wirbel - die Aktien der großen Rückversicherer legten sogar zu. Für die Papiere der Munich Re ging es am Nachmittag um 0,57 Prozent, für die der Hannover Rück um 0,68 Prozent und die der Swiss Re um sogar um 1,28 Prozent nach oben.

Ratingagenturen hatten bereits in den vergangenen Tagen Hoffnungen auf einen weiteren Preisanstieg gedämpft. Den Preiserhöhungen werde 2019 voraussichtlich schon die Luft ausgehen, sagte etwa Analyst Johannes Bender von der Ratingagentur Standard & Poor's.

Beim jährlichen Treffen im Fürstentum Monaco loten Rückversicherer mit Maklern und Erstversicherern wie Allianz oder Axa die Eckpunkte für die Vertragserneuerungen zum kommenden Jahreswechsel aus. Dabei geht es um Preise und Bedingungen, zu denen die Rückversicherer den Erstversicherern Teile der Risiken abnehmen.

Im laufenden Jahr hielten sich die Großschäden bisher im Rahmen. Die teuerste Naturkatastrophe war der Munich Re zufolge im ersten Halbjahr der Wintersturm "Friederike" in Deutschland und anderen Ländern mit versicherten Schäden von 1,7 Milliarden Euro. Das schont die Rückversicherer bei den Ausschüttungen, verschlechtert aber ihre Verhandlungsposition gegenüber Erstversicherern.

Angesichts der Überkapazitäten und des harten Konkurrenzkampfs dürften die Preise insgesamt auf dem Niveau von 2018 verharren, schätzt Hannover-Rück-Chef Wallin. Auch Swiss Re und Munich Re gehen im Wesentlichen von einem stagnierenden Prämienniveau aus. Dabei hatten die Preise nach fünf Jahren Preisverfall 2018 erstmals wieder angezogen - als Reaktion auf die hohen Schäden aus dem Vorjahr. Die Erhöhungen hätten sich aber auf das von den Großschäden betroffene Geschäft beschränkt, sagte Wallin. Selbst dort seien sie geringer ausgefallen als erwartet.

Dennoch sieht der Manager den Konzern für 2018 auf gutem Weg, wie geplant einen Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro einzufahren. Chance für zusätzliches Geschäft wittert die Hannover Rück wie Weltmarktführer Munich Re im Geschäft mit Cyber-Risiken. Die Branche werde überflüssig, wenn sie solche Risiken nicht versichern könne, hatte Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek am Sonntag gesagt. Attacken auf Computersysteme, Datendiebstahl und sogar Cyber-Krieg werden zu immer größeren Gefahren.

Die Hannover Rück versucht sich wie Konkurrenten bisher nur vorsichtig in diesem Geschäft. Denn die Risiken müssen berechnet und mit geeigneten Prämien belegt werden. Eine Cyber-Attacke könne im Gegensatz zu einem Wirbelsturm binnen Sekunden einen weltweiten Schaden anrichten, hatte am Sonntag der weltweit fünftgrößte Rückversicherer Scor aus Frankreich gewarnt. Vorstandsmitglied Victor Pignet sieht die Zeit noch nicht gekommen, dieses Geschäft in großem Stil zu zeichnen.

Die Rückversicherer sitzen auf dicken Kapitalpolstern und werben deshalb intensiv um neues Geschäft. Das große Angebot an Rückversicherungsschutz verschärft den Preiskampf. Zudem mischen branchenfremde Anleger wie Pensions- und Hedgefonds etwa über Katastrophenanleihen in dem Geschäft mit.

Der Swiss Re zufolge gibt es weltweit nach wie vor große Lücken beim Versicherungsschutz. So sei etwa in Europa nur rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen versichert, sagte Swiss-Re-Manager Moses Ojeisekhoba. Er sieht hier eine Deckungslücke von 30 Milliarden Dollar. Von den gesamten Schäden durch Naturkatastrophen in aller Welt seien im Schnitt über 150 Milliarden Dollar nicht durch Versicherungen gedeckt. "Für uns geht es darum Lösungen zu entwickeln, um einige dieser Lücken zu schließen."

Durch den jahrelangen Preiskampf ist der Druck vor allem auf kleinere Rückversicherer groß. Ratingagenturen erwarten, dass es in der Branche auch 2019 einige Übernahmen und Fusionen geben wird. Erst Anfang des Jahres hatte der US-Versicherer AIG für über 5 Milliarden US-Dollar den Rückversicherer Validus geschluckt. Der französische Versicherer Axa hat für über 15 Milliarden Dollar die Übernahme des Erst- und Rückversicherers XL Group eingeleitet.

Erst vor wenigen Tagen wies der Rückversicherer Scor ein 8,3 Milliarden Euro schweres Übernahmeangebot des französischen Versicherers Covea als zu niedrig zurück - und pocht jetzt ganz grundsätzlich auf seine Eigenständigkeit. "Wir sind extrem stolz, unabhängig zu sein", sagte Scor-Chef Denis Kessler in Monte Carlo. "Scor muss nicht fusionieren." Zwar rechnet auch Kessler mit einer Übernahmewelle in der Branche, aber nur unter mittleren und kleineren Rückversicherern. "Wir brauchen keine Hilfe von irgendwem, wir sind in einer hervorragenden Lage."/stw/nas