Mit auf den 22.07.2021 datierenden Schriftsatz hat die Antragstellerin beantragt, sie und die Ströer-Familienstiftung, Mettmann:

"im Hinblick auf den von ihnen beabsichtigten Erwerb der Kontrolle über die Ströer KGaA gemäß § 37 Abs. 7 WpÜG von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG zu befreien."

II.

Dem Antrag war stattzugeben, da er zulässig und begründet ist. 1. Zulässigkeit

Der Antrag ist zulässig.

Er wurde insbesondere fristgemäß (§ 8 Satz 2 WpÜG-Angebotsverordnung) vor der erst nach Wirksamkeit dieses Bescheides zu erwartenden Kontrollerlangung (vgl. hierzu Ziffer II.2.1) gestellt. 2. Begründetheit des Antrags 2.1 Gegenwärtig hält die Antragstellerin keine Kommanditaktien der Zielgesellschaft. Mit Abschluss der Stimmbindungsvereinbarung werden der Antragstellerin aber die Stimmrechte aus den Kommanditaktien der Zielgesellschaft, die von den übrigen Poolmitgliedern gehalten werden, gemäß § 30 Abs. 2 WpÜG zugerechnet. Nach § 30 Abs. 2 WpÜG werden dem Bieter auch Stimmrechte eines Dritten aus Aktien der Zielgesellschaft zugerechnet, mit dem der Bieter oder sein Tochterunternehmen sein Verhalten in Bezug auf die Zielgesellschaft abstimmt. Ein abgestimmtes Verhalten setzt nach § 30 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. WpÜG voraus, dass sich der Bieter und der Dritte über die Ausübung von Stimmrechten verständigen.

So liegt der Fall hier, da § 2 Abs. 3 der Stimmbindungsvereinbarung vorsieht, dass jedes Poolmitglied verpflichtet ist, auf der Hauptversammlung der Zielgesellschaft seine Stimmrechte so auszuüben, wie es die Poolversammlung beschlossen hat.

Es handelt sich auch nicht um eine Vereinbarung in einem Einzelfall, da die vereinbarte Stimmrechtsbindung inhaltlich nicht auf bestimmte Abstimmungspunkte in der Hauptversammlung begrenzt und bis zum 31.12.2028 fest abgeschlossen ist und bis dahin nur außerordentlich gekündigt oder mit Zustimmung aller Poolmitglieder aufgehoben werden kann.

Des Weiteren ist es nach der ständigen Verwaltungspraxis der BaFin irrelevant, ob die dem Stimmrechtspool beigetretene Person/Gesellschaft Entscheidungen (mit) herbeiführen kann. Maßgeblich ist auf Grundlage des Wortlauts und des Schutzzwecks des § 30 Abs. 2 WpÜG vielmehr (allein), dass die Parteien einer Poolvereinbarung aufgrund ihrer Binnenverbindung aus Sicht außenstehender Aktionäre als ein Aktionärsblock wahrgenommen werden (vgl. Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Modul B S. 29).

Der Stimmrechtsanteil der Antragstellerin an der Zielgesellschaft wird nach dem Wirksamwerden ihres Beitritts zum Stimmbindungsvereinbarung unter Berücksichtigung der ihr nach § 30 Abs. 2 WpÜG zuzurechnenden Stimmrechte (von der APM Media GmbH & Co. KG, Köln: 15,99 % der Stimmrechte; von der LION Media GmbH & Co. KG Köln: 18,52 % der Stimmrechte; von Udo Müller: 6,18 % der Stimmrechte und von der Delphi Beteiligungsgesellschaft, Unterhaching: 0,98 % der Stimmrechte) daher insgesamt 41,68 % betragen.

Mit ihrem Beitritt zur Stimmbindungsvereinbarung erlangt die Antragstellerin somit Kontrolle im Sinne von § 29 Abs. 2 WpÜG über die Zielgesellschaft. 2.2 Die Voraussetzungen für eine Befreiung der Antragstellerin gemäß § 37 Abs. 1 Var. 4 WpÜG von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG liegen vor. Bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien liegen regelmäßig besondere Beteiligungsverhältnisse vor, die es (auch) unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Inhaber von Kommanditaktien der Zielgesellschaft rechtfertigen, eine Befreiung von den Verpflichtungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG auszusprechen.

Zwar ist § 29 WpÜG nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG auch auf die Kommanditgesellschaft auf Aktien anwendbar. Die Rechtsposition eines Kommanditaktionärs ist jedoch regelmäßig wesentlich schwächer als diejenige von Aktionären einer Aktiengesellschaft. So können Kommanditaktionäre in der Hauptversammlung nicht über die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern Einfluss auf die Zusammensetzung des Vorstands und damit des Geschäftsführungsorgans nehmen. Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist gem. § 278 Abs. 2 AktG i.V.m. §§ 170, 164, 161, 114 und 125 HGB allein der Komplementär geschäftsführungsbefugt. Das typische Mittel zur gesellschaftsrechtlich vermittelten Beherrschung einer Gesellschaft steht den Kommanditaktionären einer Kommanditgesellschaft auf Aktien daher nicht zur Verfügung. Die Satzung der Zielgesellschaft weicht von diesem gesetzlichen Leitbild nicht ab. Auch andere Beherrschungsmittel stehen der Antragstellerin nicht zur Verfügung. Insbesondere kann die Antragstellerin keinen Einfluss auf die Komplementärin der Zielgesellschaft ausüben. Der der Antragstellerin nach Abschluss der Stimmbindungsvereinbarung zuzurechnende Stimmrechtsanteil in Höhe von 41,68 % in der Zielgesellschaft vermittelt ihr daher nicht die Möglichkeit über die Ausübung dieser Stimmrechte die Geschicke der Zielgesellschaft zu beeinflussen, weswegen ihre Befreiung von den Pflichten des § 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 WpÜG erfolgen kann. 2.3 Im Ergebnis überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin, kein Pflichtangebot nach § 35 WpÜG an die Kommanditaktionäre der Zielgesellschaft abgeben zu müssen, die Interessen der Kommanditaktionäre der Zielgesellschaft an einem Angebot.

Der formelle Kontrollerwerb der Antragstellerin mit Wirksamkeit ihres Beitritts zur Stimmbindungsvereinbarung bietet den außenstehenden Kommanditaktionären keinen (schützenswerten) Anlass, eine außerordentliche Desinvestitionsentscheidung zu treffen. Vielmehr bleibt die materielle Kontrollsituation letztlich unverändert, da die Geschäftsführungsentscheidungen nach wie vor von der Komplementärin der Zielgesellschaft, der SMSE, getroffen werden, die wegen seiner Position als einziger Kommanditist und einziger Gesellschafter der Komplementärin der Mehrheitsgesellschafterin der SMSE weiterhin (mittelbar) von Udo Müller beherrscht wird. Somit müssen die außenstehenden Kommanditaktionäre auch keine transaktionsbedingte Änderung in der Unternehmensführung der Zielgesellschaft erwarten, so dass ihr etwaiges Interesse an einem Pflichtangebot als gering zu bewerten ist und jedenfalls hinter dem Interesse der Antragstellerin, nicht mit den Kosten eines Pflichtangebots belastet zu werden, zurückstehen muss. 3. Durch die Nebenbestimmungen unter Ziffer 2 des Tenors dieser Entscheidung soll das Fortbestehen der Befreiungsgründe für die Zukunft sichergestellt werden. Tragender Befreiungsgrund ist vorliegend der Umstand, dass die Zielgesellschaft als Kommanditgesellschaft auf Aktien verfasst ist und eine im übernahmerechtlichen Sinn kontrollvermittelnde Beteiligung an den Kommanditaktien dem Inhaber dieser Beteiligung nicht die Möglichkeit gibt, die Geschicke der Zielgesellschaft zu beeinflussen (vgl. Ziffer II.2.2), Die Befreiung der Antragstellerin ist daher nur solange gerechtfertigt, wie sich an diesem Zustand nichts ändert.

Daher sieht der Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2 (a) des Tenors dieser Entscheidung vor, dass die Befreiung widerrufen werden kann, wenn die Antragstellerin zukünftig neben der formellen Kontrollposition auch die Möglichkeit erlangt, auf die SMSE einen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG auszuüben. In diesem Falle würde zur formellen Kontrollposition auch die tatsächliche Möglichkeit zur Ausübung der Kontrolle hinzutreten, so dass eine Befreiung auf Grundlage von § 37 Abs. 1 Var. 4 WpÜG nicht mehr gerechtfertigt wäre. Gleiches gilt für den vom Widerrufsvorbehalt unter Ziffer 2 (b) des Tenors dieser Entscheidung erfassten Fall, dass die Organisationsstruktur der Ströer SE & Co. KGaA, Köln, etwa durch Maßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz oder eine Satzungsänderung so geändert wird, dass es bisherigen Kommanditaktionären möglich wird, den sich aus einem Stimmrechtsanteil von 30 % in einer nach dem gesetzlichen Normalstatut organisierten Aktiengesellschaft typischer Weise ergebenden Einfluss auszuüben.

Die unter Ziffer 3 (a) des Tenors dieser Entscheidung bestimmte Auflage verpflichtet die Antragstellerin, den Kontrollerwerb nach ihrem Beitritt zur Stimmbindungsvereinbarung nachzuweisen. Hierdurch soll die BaFin in die Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Antragstellerin tatsächlich in der unter Ziffer II.2.1 dieses Bescheides näher beschriebenen Weise die Kontrolle über die Zielgesellschaft erlangt hat. Nur in diesem Fall wird die Befreiung wirksam.

Die Auflage unter Ziffer 3 (b) des Tenors dieser Entscheidung verpflichtet die Antragstellerin, der BaFin jedes Ereignis, jeden Umstand und jedes Verhalten, das den Widerruf der Befreiung gemäß Ziffer 2 des Tenors dieser Entscheidung rechtfertigen könnte, unverzüglich mitzuteilen und dient da mit der Umsetzung des Widerrufsvorbehalts.

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