Von Ben Foldy

NEW YORK (Dow Jones)--Die Autohersteller versuchen einen größeren Teil der Lieferkette für Elektrofahrzeuge zu kontrollieren. Zu diesem Zweck gehen sie neue Partnerschaften mit Rohstoffherstellern ein und investieren in Anlagen zur Herstellung von Chemikalien für Batterien. GM, VW und andere große Autokonzerne haben bereits viel Geld in Joint-Venture-Fabriken investiert, um ihre eigene Versorgung mit Batterien für Elektrofahrzeuge sicherzustellen. Jetzt wollen sie weiter expandieren, um die Kosten zu senken, sich begehrte Komponenten zu sichern und mehr Kontrolle über Qualität und Leistung der Batterien auszuüben.

Tesla gehörte zu den ersten Unternehmen, die einen größeren Teil ihrer Elektroauto-Batterien selbst herstellten, was dem E-Mobilitäts-Pionier half, sich zum wertvollsten Autohersteller der Welt zu mausern.

Der Vorstoß der Autohersteller, ihre Lieferketten stärker zu kontrollieren, kommt auch deshalb, da ein Halbleitermangel die Fahrzeugproduktion behindert. In den vergangenen Wochen haben VW und Stellantis Verträge zur Sicherung von Lithiumlieferungen bekannt gegeben. Das silbrig-weiße Metall ist wegen seiner elektrochemischen Eigenschaften ideal für die leistungsstarken Batterien von Elektrofahrzeugen.


   VW verbündet sich mit belgischem Batterie-Materialhersteller 

GM gab Anfang Dezember bekannt, dass es gemeinsam mit dem koreanischen Stahl- und Chemieunternehmen Posco in eine neue nordamerikanische Fabrik investieren wird, um Kathodenmaterialien herzustellen. Letzteres sind wichtige Komponenten der Batterie, die einen Großteil der Kosten ausmacht.

VW plant den Bau einer ähnlichen Fabrik für Kathodenmaterialien zusammen mit dem belgischen Materialhersteller Umicore. Diese Strategie geht auf die Anfänge der Automobilindustrie zurück, als einige Hersteller einen Großteil der für die Produktion erforderlichen Lieferkette besaßen oder erwarben. Zu Ford gehörten einst Minen und ein Stahlwerk.

Der Wandel kommt auch deshalb, da die Elektrifizierung die übliche Hierarchie zwischen den Automobilherstellern und ihren Zulieferern zu stören droht, wie Analysten erklären. Traditionell konnten die Automobilhersteller ihre Rentabilität verbessern, indem sie die Zulieferer gegeneinander ausspielten. Da nur eine Handvoll Unternehmen die hochwertigsten Batterien und Chemikalien herstellt, haben die Autohersteller eine geringere Preissetzungsmacht. Sich bei der Entwicklung der Batterietechnologie ausschließlich auf die Zulieferer zu verlassen, wäre so, als würde man keine eigenen Motoren herstellen, meint VW-Vorstandsmitglied Thomas Schmall.


   Plug-in-Modelle bis 2030 mit enormem Marktpotenzial 

Ken Morris von GM sagte auf dem Investorentag des Unternehmens im Oktober, dass es für die Erreichung der künftigen Rentabilitäts- und Umweltziele des Unternehmens entscheidend sei, einen größeren Teil der Batterielieferkette selbst zu entwickeln. Neben der Fabrik für Kathodenmaterial hat GM im Sommer auch eine Vereinbarung über die Investition in ein Projekt zur geothermischen Gewinnung von Lithium im kalifornischen Salton Sea unterzeichnet. "Die vertikale Integration wird uns dabei helfen, dies schneller, kostengünstiger und nachhaltiger zu tun", betont Morris.

Die weltweite Autoindustrie hat sich intensiv um den Verkauf von Elektrofahrzeugen bemüht, und einige große Autokonzerne haben Milliarden von Dollar in die Erweiterung ihrer Produktpalette investiert. Darüber hinaus bieten die Regierungen Anreize, um die Produktion und den Verkauf anzukurbeln, während sie gleichzeitig die Emissionsvorschriften verschärfen. Infolgedessen wird erwartet, dass Plug-in-Modelle bis 2030 die Hälfte aller weltweit verkauften Neufahrzeuge ausmachen werden, so die Analysten von Morgan Stanley.


   Angst vor Wiederholung einer Knappheit wie bei Halbleitern 

Dennoch erfordern diese Fahrzeuge eine völlig andere Lieferkette als die, die über Jahrzehnte für benzinbetriebene Autos und Lastwagen aufgebaut wurde. Die drastische Umstellung auf Elektroautos hat Bedenken aufkommen lassen, ob die Unternehmen in der Lage sein werden, genügend hochwertige Materialien für die Herstellung von Batterien und anderen Komponenten zu beschaffen.

Viele Manager meinen, dass die Kontrolle der Produktion in der Lieferkette dazu beitragen kann, die Unternehmen vor künftigen Preissteigerungen und Engpässen zu schützen. Die Unterbrechungen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie und die jüngste Halbleiterknappheit treiben die Automobilindustrie weiter in diese Richtung und veranlassen die Hersteller, ihre Abhängigkeit vom globalen Outsourcing zu verringern.

"Alle wollen die Lieferkette sichern und die sehr schmerzhafte Erfahrung der Halbleiterknappheit nicht wiederholen", erklärt CEO Mathias Miedreich von Umicore. In den vergangenen Jahrzehnten hatten sich die Automobilhersteller weitgehend von der vertikalen Integration verabschiedet, indem sie die Teilefertigung ausgliederten und sich bei der Lieferung von Komponenten verstärkt auf externe Zulieferer verließen.

Die vertikale Integration kann kapitalintensiv und risikoreich sein, und in der Vergangenheit hatten die Automobilhersteller Schwierigkeiten, neue Kompetenzen wie die Softwareentwicklung ins Haus zu holen, was zu Verzögerungen und Umsatzeinbußen führte. Dieser Trend kehrt sich nun allmählich um.

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January 04, 2022 04:23 ET (09:23 GMT)