Von Stephen Wilmot

DETROIT (Dow Jones)--Von den drei großen Autokonzernen in Detroit zeigt die Wall Street nur Chrysler die kalte Schulter. Zu Unrecht, möchte man nun sagen, denn für Anleger könnte es sich lohnen, schon vor 2026 genauer hinzuschauen.

Das ist nämlich das Jahr, in dem die Muttergesellschaft Stellantis eine nachhaltige zweistellige operative Marge erwartet. Verkündet wurde dieses Ziel beim aufwendig inszenierten "EV-Tag" am Donnerstag. Inmitten der Flut von Zahlen, die von den Konkurrenten bei ähnlichen Veranstaltungen in den letzten Monaten verkündet wurden, sticht diese Zahl besonders hervor.

Mainstream-Autobauer taten sich in der Vergangenheit schwer, zweistellige Margen zu erzielen, und Elektrofahrzeuge (EV - Electric Vehicle) werden auch noch einige Zeit teurer sein als herkömmliche Autos. Doch Stellantis glaubt fest an zweistellige Margen, wenn sich die neue Technologie allmählich durchsetzt.


   Tavares ambitioniert 

Die Ankündigung derart ehrgeiziger Ziele ist eher untypisch für CEO Carlos Tavares. Als dieser den französischen Autobauer Peugeot leitete, der im Januar mit Fiat Chrysler fusionierte, um Stellantis zu schaffen, setzte er niedrige Margenziele, die leicht zu übertreffen waren. Das scheint nun nicht mehr sein Ansatz zu sein.

Anleger sollten die neuen Zahlen vermutlich als Produkt einer ausgeklügelten Berechnung für die Zeit nach der Fusion lesen, bei der Schätzungen zu Synergien und fallenden Batteriekosten mit robusten Marktbedingungen wie in den letzten zwölf Monaten kombiniert wurden. Tavares vermied es darauf hinzuweisen, dass dies ein stabiles externes Umfeld voraussetzt.


   Milliardenausgaben begeisterten Ford-Anleger 

Der veränderte Tonfall könnte eine Reaktion auf General Motors und Ford sein, die durch ihre aggressive Kommunikation von EV-Strategien Erfolge unter technikaffinen Anlegern feiern. Fords Investorenveranstaltung im Mai, bei der das Unternehmen die geschätzten Ausgaben für Elektrofahrzeuge bis 2025 auf 30 Milliarden US-Dollar anhob, wurde mit Begeisterung aufgenommen. Letzten Monat korrigierte auch GM seine geplanten Ausgaben für EVs und autonomes Fahren nach oben, nämlich auf 35 Milliarden US-Dollar bis 2025.

Stellantis schloss sich diesem Wettrüsten am Donnerstag an. Die Automobilholding verkündete, dass sie bis 2025 mindestens 30 Milliarden Euro für EVs ausgeben werde. Gleichzeitig macht das Margenziel aber auch deutlich, dass eine anständige Rendite für die Anleger angestrebt wird. In diesem Punkt war die Autoindustrie historisch betrachtet stets schmal auf der Brust.


   Markenindividualität 

Ein weiterer Unterschied: Stärker als die Konkurrenz von Volkswagen und GM hat Stellantis Wert darauf gelegt, seinen verschiedenen Marken einen jeweils eigenen Auftritt in puncto Elektromobilität zu gönnen. Stellantis-Marken wie Opel und Fiat werden in Europa vollelektrisch, während den traditionellen, von Verbrennern befeuerten Pick-ups von Ram auch elektrische Versionen zur Seite gestellt werden sollen.

Die kollektive Reaktion der Anleger und Investoren war das übliche Achselzucken: Die Stellantis-Aktie fiel am Donnerstag mit dem breiten Markt. Laut dem Datenanbieter VandaTrack hat die US-Notierung des Unternehmens nicht annähernd eine so bewegte Anhängerschaft unter Privatanlegern wie GM und Ford. Bei den institutionellen Anlegern sieht es nicht viel anders aus, sagt Philippe Houchois, Analyst bei Jefferies. Dies ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass die Aktie mit einem Abschlag gegenüber den Mitbewerbern gehandelt wird.

Das jüngste Großereignis hat noch nicht gereicht, um das zu ändern. Ein paar Jahre mit branchenführendem Gewinnwachstum, in denen das Unternehmen Synergien aus der Fusion zieht, könnten den Unterschied machen. Hier bietet sich eine Chance für Anleger, die sich aber nur langsam entwickelt.

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DJG/DJN/rer/smh

(END) Dow Jones Newswires

July 09, 2021 05:28 ET (09:28 GMT)