BRÜSSEL (dpa-AFX) - Ein neues EU-Gesetz gegen Steuervermeidung großer Konzerne stößt im Europaparlament und bei einer Entwicklungsorganisation auf Kritik. Ursprüngliche Vorschläge der EU-Kommission, weitere Steuerschlupflöcher für Unternehmen zu stopfen, seien von den Mitgliedstaaten verwässert worden, bemängelte der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold in Brüssel. Ähnlich äußerte sich die Entwicklungsorganisation Oxfam.

Mit viertägiger Verspätung billigten die EU-Staaten am Dienstag das neue Gesetz. Den öffentlichen Kassen in der EU entgehen wegen Steuertricks von Unternehmen zwischen 50 und 70 Milliarden Euro pro Jahr. Nun sollen Konzerne, die in mehreren Ländern aktiv sind, ihre Steuern auch dort zahlen, wo Gewinne tatsächlich anfallen. Die neuen Regeln sollen von den Mitgliedstaaten bis spätestens Ende 2019 in nationalem Recht verankert werden.

Bereits am vergangenen Freitag hatten sich die EU-Finanzminister darauf geeinigt - wegen letzter Einwände von Belgien und Tschechien wurde jedoch eine Stillhaltefrist vereinbart, die nun auslief. Es gebe keine Einwände mehr, berichteten Diplomaten.

Giegold kritisierte, die Staaten hätten eine Regelung aus dem Kommissionsvorschlag gestrichen, wonach Zahlungsströme aus Steueroasen in die EU besteuert werden sollten. Seinen Angaben scheiterte die Klausel jedoch an Ländern wie Malta, Großbritannien, Schweden, Zypern oder Irland. Vereinbart wurde dagegen unter anderem eine "Zinsschranke": Ein Zinsaufwand kann von Unternehmen nicht mehr unbegrenzt steuerlich geltend gemacht werden.

Die Regierungen der EU-Staaten seien nicht bereit, groß angelegte Steuervermeidung von multinationalen Unternehmen in Angriff zu nehmen, kritisierte Oxfam. Enthüllungen wie "Luxleaks", bei denen es um zweifelhafte Steuerabsprachen mit Hunderten Unternehmen in Luxemburg ging, aber auch die "Panama Papers" hatten die EU-Staaten in Zugzwang gebracht. Steuerskandale wie diese hätten jedoch ein effizientes Handeln gefordert, monierte Oxfam.

Anstoß für das EU-Gesetz waren Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Staaten. Nach Erkenntnis der EU-Kommission tragen kleinere Unternehmen, die nicht in mehreren Ländern tätig sind, im Schnitt eine um 30 Prozent höhere Steuerlast als multinationale Konzerne. Die Wettbewerbshüter der Kommission nahmen bereits mehrere Unternehmen wegen möglicher unlauterer Steuervorteile ins Visier, unter anderem die US-Imbisskette McDonald's oder den Kaffeehausbetreiber Starbucks ./vge/cb/DP/men