KARLSRUHE (dpa-AFX) - In welchen Fällen können Verlage und andere Rechteinhaber bei einem Internetprovider auf eine Netzsperre pochen? Darüber verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Donnerstag in Karlsruhe (ab 9.00 Uhr) anhand einer Klage von Wissenschaftsverlagen gegen die Telekom (Az. I ZR 111/21). Die Verlage aus Deutschland, den USA und Großbritannien beanspruchen eine Sperre von Internetseiten der Dienste "LibGen" und "Sci-Hub", weil dort Artikel und Bücher ohne Zustimmung der Rechteinhaber veröffentlicht wurden.

Das Oberlandesgericht München hat die Klage abgewiesen: Die Verlage hätten sich demnach zunächst an den in Schweden ansässigen Host-Provider wenden müssen, der die Inhalte von "LibGen" und "Sci-Hub" anderen Nutzern zugänglich machte. Die beiden Dienste werden auch als "Schattenbibliotheken" bezeichnet. Sie ermöglichen den kostenlosen Zugang zu urheberrechtlich geschützter Literatur, die sonst nur nach Bezahlung online verfügbar ist.

Der BGH hatte zwar schon 2015 entschieden, dass die Telekom und andere Internet-Provider illegale Seiten im Web sperren müssen, wenn die Rechteinhaber alles unternommen haben, um gegen Raubkopierer vorzugehen. Die Forderung der Rechtegesellschaft Gema und der Musikkonzerne Universal Music, Sony und Warner nach Netzsperren hatte das oberste deutsche Zivilgericht aber damals zurückgewiesen: Die Kläger hätten nicht genug unternommen, um gegen die Rechte-Verletzer vorzugehen (Aktenzeichen: I ZR 3/14 und I ZR 174/14 - Urteil vom 26.11.2015).

Im Mittelpunkt der BGH-Verhandlung an diesem Donnerstag steht nun die Frage, ob die klagenden Verlage alle Maßnahmen ausgeschöpft haben und ob es für sie zumutbar gewesen wäre, zunächst den Host-Provider im EU-Ausland Schweden in Anspruch zu nehmen. Wann der BGH sein Urteil spricht, ist noch nicht bekannt./skf/DP/zb