Berlin/Brüssel (Reuters) - Die Ampel-Koalition hat sich Regierungskreisen zufolge doch noch bei den EU-Klimavorgaben für Lkw geeinigt. "Es gibt weißen Rauch", sagte ein Regierungsvertreter am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Das Verkehrsressort von Volker Wissing (FDP) habe seinen Widerstand nach einem Kompromiss kurz vor der entscheidenden Sitzung in Brüssel aufgegeben. Es solle in Abstimmung mit anderen EU-Staaten eine Art Protokollnotiz oder Fußnote zum Einsatz sogenannter E-Fuels geben, die aber den Kern des Vorhabens nicht verändern werde. Damit ist der Weg für die formale Abstimmung der EU-Staaten frei, die noch am Freitag folgen soll.

Ein EU-Konzept vom Januar sah auch mit dem Ja Deutschlands vor, dass neue Lkw ab 2040 verglichen mit 2019 dann 90 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen - genauer müssen 90 Prozent emissionsfrei und damit vorwiegend elektrisch oder mit grünem Wasserstoff fahren. Die übrigen zehn Prozent könnten noch mit Diesel betrieben werden.

Wissing hatte dann überraschend kurz vor der formalen Abstimmung gefordert, dass klimaneutrale sogenannte E-Fuels angerechnet werden können. Ohne eine Einigung in der Regierung muss sich Deutschland enthalten, was wie eine Nein-Stimme wirkt. Italien will das Vorhaben unterstützen und kämpft für die Anrechnung von Biokraftstoffen, obwohl dies bereits im Oktober abgelehnt wurde. Zusammen mit einigen osteuropäischen Staaten gäbe es dann eine Sperrminorität.

DRITTE FDP-BLOCKADE BEI EU IN EINEM JAHR

Das Vorgehen Wissings erinnert zum einen an jenes vor einem Jahr, als er die Flottengrenzwerte und das Verbrenner-Aus ab 2035 blockierte. Auch damals setzte sich Wissing für E-Fuels ein. Das Verbrenner-Aus wurde letztlich dennoch beschlossen. Eine eigene E-Fuels-Kategorie bei den Pkw, wie von Wissing angepeilt, ist dagegen weiter offen. Regierungskreisen zufolge ist die Lösung im Streit mit Wissing jetzt ähnlich: Erneut soll in einer Fußnote eine Sonder-Kategorie für E-Fuels angeregt werden.

Zuletzt blockierten zudem die FDP-Minister in der Regierung eine Einigung auf das EU-Lieferkettengesetz, die Abstimmung an diesem Freitag musste daher verschoben werden. Anders als beim Lieferkettengesetz hatte Wissing diesmal jedoch wenig Unterstützung aus der Wirtschaft. Im Gegenteil: Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) hatte sich bereits für ein Ja zum Kompromiss ausgesprochen und auch auf die Planungssicherheit verwiesen. Bei einer vom Kanzleramt organisierten Runde am Donnerstag mit der Industrie, hatten sich praktisch alle Hersteller für ein Ja ausgesprochen. Auch bei den Zulieferern zeigte sich eine Mehrheit zufrieden mit dem EU-Vorschlag.

Kritisch für das Vorhaben war, dass die EU angesichts der bevorstehenden Wahlen im Juni nur noch wenig Zeit für einen neuen Kompromiss hätte. Die Flottengrenzwerte für Lkw sind ein zentraler und einer der letzten Bausteine des EU-Klimaschutzpakets "Fit-for-55".

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- von Markus Wacket