DARMSTADT (dpa-AFX) - Wenn die Software an diesem Mittwoch (21. Oktober) Zahlen für das dritte Quartal präsentiert, dann liegt über der Entwicklung im Tagesgeschäft ein großer Schatten. Denn das Unternehmen kämpft derzeit mit einer Hackerattacke - und wird daher auch zunächst nur Eckdaten zum Quartal liefern. Anleger werden trotzdem wissen wollen, wie es nun mit dem teuren Großumbau weitergeht, der bereits durch die Corona-Krise auf eine harte Probe gestellt wird. Was im Unternehmen los ist, was die Finanzanalysten sagen und wie die Aktie zuletzt gelaufen ist.

DAS IST LOS BEI DER SOFTWARE AG:

Mitten in der Umstellung auf Abo-Modelle und während der Corona-Krise macht den Darmstädtern die Attacke auf die IT-Systeme das Leben schwer. Am 3. Oktober war das Unternehmen nach eigenen Angaben Ziel eines Ransomware-Schadsoftwareangriffs. Von Ransomware spricht man üblicherweise, wenn die Hacker sich unerlaubt Zugang zu Daten verschaffen, sie verschlüsseln und für die Entschlüsselung ein Lösegeld (engl. ransom) fordern.

Dabei wurden den Informationen zufolge vor allem E-Mail-Server angegriffen, auf denen Daten verschlüsselt wurden und von denen offenbar auch Daten heruntergeladen wurden. Die Dienste für die Kunden einschließlich der cloudbasierten Software-Angebote waren demnach bis zuletzt nicht betroffen. Die Software AG hat betroffene Systeme isoliert und weitgehend heruntergefahren, bis dato sind einige Services wie etwa auch die Webseite nur eingeschränkt nutzbar. Das Unternehmen habe weitere Maßnahmen eingeleitet, um sicherzustellen, dass es Kenntnis von allen illegalen Vorgängen erhält.

Fraglich ist nun vor allem, ob der Angriff Auswirkungen auf das Tagesgeschäft haben wird. Zunächst mal sorgt die Attacke dafür, dass die Software AG in dieser Woche nur Eckdaten zum Auftragseingang, Umsatz und operativer Marge machen wird. Darüber hinaus wird aber die Frage sein, ob die Kundschaft dem Unternehmen weiter Vertrauen schenkt, falls sensible Daten an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Bisher tat sich das Management schwer, die Folgen des Angriffs abzuschätzen.

Dabei machte das Unternehmen unter den gegebenen Umständen im bisherigen Jahresverlauf eigentlich eine gute Figur. Der seit August 2018 amtierende Vorstandschef Sanjay Brahmawar baut das Unternehmen vor allem beim Erlösmodell stark um, statt einmalige, hohe Lizenzgebühren werden die Kunden auf Abonnementzahlungen umgestellt. Das sorgt zunächst für Belastungen beim Umsatz und beim Ergebnis, weil die lukrativen Einmalzahlungen wegfallen.

Allerdings hat die Software AG im zweiten Quartal überraschend viele Abschlüsse an Land gezogen, was sich im Auftragseingang widerspiegelt. Brahmawar hatte ohnehin eine vergleichsweise normale Entwicklung im ersten Halbjahr in Aussicht gestellt, für die restlichen sechs Monate aber deutliche Risiken wegen der Pandemie gesehen. Immerhin sieht der Belgier langfristig neuen Schub für die Digitalisierung bei den Kunden, was auch seinem eingeschlagenen Wachstumskurs zugute kommen soll.

Im April hatte das Unternehmen die Jahresprognosen für den Auftragseingang, die sogenannten Bookings, gesenkt. Bookings sind der normierte Rechnungswert abgeschlossener Verträge, wie ihn Softwareunternehmen gerne angeben, weil die Erlöse zunehmend erst in Raten in der Zukunft fließen.

Im Geschäft mit Integrationssoftware (DBP ex Cloud/IoT) rechnen die Darmstädter mit währungsbereinigt 0 bis 10 Prozent Plus im laufenden Jahr. Beim neu aufgebauten Zukunftsgeschäft mit der Cloud und der Vernetzung von Maschinen (IoT) sollen es zwischen 20 und 40 Prozent mehr sein als im Vorjahr. Im angestammten Datenbankbereich (A&N) geht die Software AG von minus 3 bis plus 3 Prozent aus.

Mit dem Umbau des Geschäftsmodells will Brahmawar einerseits das stark vertriebsabhängige Geschäft verstetigen, nach und nach soll der Umsatz vor allem aus laufenden Verträgen kommen. In der Vergangenheit hatten verzögerte große Vertragsabschlüsse des Öfteren die Quartalsbilanzen verhagelt und Unsicherheit bei Investoren hervorgerufen.

Zudem hat Brahmawar die Organisation auf Wachstum getrimmt. Die Vertriebsteams in Nordamerika, Asien und Europa wurden gestärkt, mehr Geld fließt auch in Werbung und Partnerschaften.

Die zusätzlichen Investitionen sollen in der mittleren Frist ein stärkeres Wachstum liefern, das Digitalgeschäft mit Software zur Integration verschiedener IT-Systeme soll im Schnitt jährlich um 15 Prozent wachsen. Insgesamt dürfte der Konzernumsatz demnach 2023 den Wert von einer Milliarde Euro knacken, das wären gut 12 Prozent mehr als 2019 mit 890,6 Millionen Euro. Aber auch auf mittlere Sicht müssen Anleger 2023 mit weniger Profitabilität rechnen, die operative Marge dürfte sich nur zwischen 25 und 30 Prozent bewegen.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Finanzexperten sind der Aktie überwiegend freundlich gestimmt. Fünf der zwölf im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich in diesem Jahr mit dem Papier befasst haben, sprechen eine Kaufempfehlung aus. Die restlichen sieben sind für Halten. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 35,50 Euro und damit etwas unter dem aktuellen Kursniveau.

Von der Zahlenvorlage erhoffen sich die Analysten vor allem Aussagen über die Aussichten für den Rest des Jahres. Die weitere Entwicklung sei nur schwer abzuschätzen, schrieb Charles Brennan von der Credit Suisse. Stacy Pollard von JPMorgan verwies darauf, dass die guten Aufträge im zweiten Quartal zu Lasten des dritten Vierteljahres gehen könnten, weil einige große Deals schon vor Ende Juni eingetütet wurden. Knut Woller von der Baader Bank sieht diesen Effekt vor allem bei der Datenbanksparte, die zudem im Vorjahresquartal starke Werte erzielt hatte.

Das Wachstum des Softwarekonzerns dürfte im dritten Quartal solide ausfallen, schrieb Analyst Gautam Pillai von Goldman Sachs. Es sei zwar unwahrscheinlich, dass es sich mit dem ersten Halbjahr messen könne, die mittelfristige Dynamik bleibe aber intakt.

Die vom Unternehmen befragten Analysten rechnen für das dritte Quartal im Durchschnitt mit einem Rückgang des Auftragseingangs in der Datenbanksparte A&N von über 40 Prozent. Bei der eigentlichen Integrationssoftware (DBP ohne Cloud und IoT) dürfte es hingegen leicht um rund 3 Prozent nach oben gehen, während die noch kleinen Cloud- und IoT-Geschäfte um knapp 40 Prozent zulegen sollten.

Auf gutem Weg beim Umbau sieht DZ-Bank-Experte Harald Schnitzer die Darmstädter. Sie hätten beim Transformationsprojekt Helix bereits 87 Prozent der Maßnahmen umgesetzt und auch bei den Produktinnovationen Fortschritte in der Cloud-Strategie erzielt, lobte er jüngst in einer Studie. Er erhöhte seine Schätzungen ab dem Jahr 2021. Auch Michael Briest von der UBS und Martin Jungfleisch von Kepler Cheuvreux attestierten der Strategie von Brahmawar nach dem zweiten Quartal Erfolge.

SO LIEF DIE AKTIE:

Die Aktie der Software AG hat sich bereits recht zeitig wieder aus dem Corona-Crash herausgekämpft, zwischenzeitlich war sie bis auf 21,60 Euro gefallen. Dann ging es bis in den September im Wesentlichen nur nach oben, ihr Jahreshoch bei 44,50 Euro war zugleich ein Hoch seit dem Frühjahr 2018. Mit dem Hackerangriff hat sich aber wieder etwas Unsicherheit bei den Anlegern breitgemacht. Allein im Oktober hat das Papier rund 14 Prozent bis auf 36,18 Euro verloren.

Im laufenden Jahr hat die Software AG aber noch immer ein Plus von 16 Prozent aufzuweisen und liegt damit im MDax im oberen Mittelfeld. Auf drei Jahre gesehen liegt der Kurs allerdings knapp elf Prozent im Minus. Die fast 50 Euro aus dem Januar 2018 sind ohnehin etwas aus dem Blick geraten.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 2,7 Milliarden Euro gehört das Unternehmen zu den kleineren Werten im MDax der mittelgroßen Börsenkonzerne. Rund 34 Prozent der Anteile gehören der von Unternehmensgründer Peter Schnell ins Leben gerufenen Software-AG-Stiftung. Mit dem Börsenwert spielt die Software AG zudem unter den deutschen Unternehmen der Branche nur die zweite Geige.

Europas größter Softwarehersteller SAP spielt mit 161 Milliarden Euro ohnehin in einer anderen Liga, aber inzwischen haben auch die ebenfalls im MDax notierten Softwarehersteller Teamviewer (9,3 Mrd Euro), Nemetschek (7,3 Mrd Euro) und Compugroup (4,2 Mrd Euro) die Darmstädter deutlich abgehängt./men/jsl/zb