Von Aaron Tilley

SAN FRANCISCO (Dow Jones)--Die Salesforce.com Inc ist seit Jahren als Nischenanbieter für Unternehmenssoftware erfolgreich. CEO Marc Benioff hat sich in der amerikanischen Geschäftswelt als prominente Stimme profiliert. Jetzt unternimmt Benioff Schritte, von denen Analysten sagen, dass sie einem höheren Ziel dienen. Salesforce bringt sich gegen den größten Akteur der Branche in Stellung: Microsoft.

So berichtete das Wall Street Journal am Mittwoch, Salesforce führe fortgeschrittene Gespräche über die Übernahme von Slack Technologies Inc. Das wäre nicht nur der größte Zukauf in der Firmengeschichte, den Benioff bisher über die Bühne brächte, sondern auch ein direkter Zugriff auf einen Markt, den Microsoft als entscheidend für sein Wachstum identifiziert hat.

Der Deal ist zwar noch nicht in trockenen Tüchern, aber gesetzt den Fall, er gelingt, würde er dem Bestreben von Salesforce neuen Schwung geben, die ideale Softwareplattform für Geschäftskunden zu werden - mit einem umfassenden Angebot, das von der Datenanalyse über die Verwaltung von Kundenbeziehungen bis zur täglichen Kommunikation reicht.

Salesforce hat das Bemühen um gute Lösungen für seine Kunden in der Pandemie verstärkt. Als Covid-19 ausbrach, ging Benioff schnell mit Work.com an den Start - eine Reihe von Software-Anwendungen, die Firmen für die Auftragsverfolgung, für psychologische Gesundheitsprüfungen und für Schichtpläne nutzen konnten.

Ein Vertrag mit Slack könnte die schwelende Rivalität zwischen Salesforce und Microsoft anheizen. Vor etwa fünf Jahren wollte Microsoft Salesforce übernehmen, scheiterte aber am Preis. Dafür unterlag Salesforce 2016 bei der Ausschreibung für die Linkedin Corp, die Betreiberin des sozialen Netzwerks für Geschäftsleute: Hier bekam Microsoft den Zuschlag. Salesforce gelang es anschließend auch nicht, die Linkedin-Übernahme kartellrechtlich zu torpedieren; die Transaktion bestand die behördliche Prüfung.


  Slack-Übernahme wäre im Wettbewerb mit Microsoft ein wenig Genugtuung 

Käme Benioff bei Slack zum Zug, ein Schritt, den einst Microsoft erfolglos versuchte, wäre dies ein Punktsieg. Nachdem Microsoft bei Slack abgeblitzt war, startete der Softwaregigant mit Teams ein eigenes Kommunikations-Tool zur Zusammenarbeit am Arbeitsplatz. Es kam zu einem bisweilen hitzigen Wettbewerb zwischen den beiden Unternehmen.

"Sie wollen uns plattmachen", sagte Slack-CEO Stewart Butterfield etwa zu Beginn des Jahres dem Wall Street Journal. In diesem Sommer reichte Slack bei der Europäischen Union eine Beschwerde über angeblich wettbewerbschädigendes Verhalten von Microsoft ein. Der Konzern nutze seine Dominanz, um Teams gezielt Vorteile zu verschaffen, so der Vorwurf.

Slack würde "den Fußabdruck erweitern, mit dem Salesforce unterwegs ist", urteilt Jefferies-Analyst Brent Thill. "Nicht jeder verwendet ein Vertriebssystem, aber jeder braucht Werkzeug für gute Zusammenarbeit", schreibt Thill. "Das Schöne an Slack und Teams ist, dass damit alles berührt wird, was in einem Unternehmen geschieht".

Marc Benioff kann auf eine lange Geschichte von Abschlüssen zurückblicken, seit er Salesforce vor 21 Jahren mitbegründete und zu einem der erfolgreichsten Anbieter auf dem neuen "Software as a Service"-Markt machte. So schloss Salesforce 2019 seine bisher größte Anschaffung ab. Für rund 15 Milliarden US-Dollar in Aktien kam die Datenanalyseplattform Tableau Software unter das Dach von Salesforce.

Ein Jahr zuvor hatte Salesforce mehr als 5 Milliarden Dollar für den Cloud-Anbieter Mulesoft gezahlt. Und in diesem Jahr schluckte Salesforce den Cloud-Software-Anbieter Vlocity.

Salesforce-Chef Benioff zählt seit langem zu den profiliertesten und freimütigsten Führungskräften im Silicon Valley. Er nutzt Veranstaltungen wie das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos, um für bestimmte Themen zu kämpfen. Salesforce hat er einst mit dem Versprechen gegründet, Teile des Gewinns zu spenden, und mit der Übernahme des Time Magazine erkaufte der Manager sich vor zwei Jahren eine noch größere Bühne.


  Bisher war Salesforce auf dem Markt von Slack kein Glück beschieden 

Der Einstieg in den Markt für Kooperation am Arbeitsplatz steht seit langem auf der Agenda von Salesforce. 2010 startete Chatter, ein soziales Netzwerk für Unternehmenszwecke. Und im Jahr 2016 kaufte man sich für mehr als 500 Millionen Dollar Quip, Anbieter einer App für die gemeinsame Dokumentenbearbeitung im Netz. Keines der beiden Produkte erreichte eine große Fangemeinde. Mit Slack jedoch, dessen Kauf Salesforce schon zuvor erwogen hatte, würde Benioffs Unternehmen sofort zu einem großen Akteur auf dem Markt für Kooperation am Arbeitsplatz werden. Slack verfügt über mehr als 130.000 zahlende Kunden.

Salesforce ist an Slack auch deshalb interessiert, weil sich der Wettbewerb in seinem Kerngeschäft verschärft. Adobe etwa will Workfront, eine Plattform für Vermarkter, für 1,5 Milliarden Dollar kaufen. Microsoft treibt sein Konkurrenzprodukt namens Dynamics voran. Laut den Marktforschern von Gartner Inc stand Salesforce 2019 mit 20,1 Prozent weltweitem Marktanteil noch an der Spitze, verglichen mit 2,6 Prozent für Microsoft Dynamics.

Selbst inklusive Slack wäre Salesforce für Microsoft ein vergleichsweise kleiner Konkurrent. Der Großkonzern aus Redmond im US-Bundesstaat Washington erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von 143 Milliarden Dollar erwirtschaftete - etwa das Neunfache der Einnahmen von Salesforce. Die Marktbewertung von Microsoft beläuft sich auf über 1,6 Billionen Dollar, etwa dem Sechsfachen von Slack und Salesforce zusammen.

Salesforce strebt für das Geschäftsjahr 2023 einen Jahresumsatz von 28 Milliarden Dollar an, zuletzt beliefen sich die Einnahmen auf 16 Milliarden. "Er muss wirklich wachsen", sagt Analyst Mark Moerdler von Bernstein Research über Benioff. "Er braucht eine weitere große Akquisition. Slack wäre genau das. Sie verschafft ihm Einnahmen."

Slack selbst arbeitet auch an attraktiven Features. Bislang haben Unternehmen Slack vor allem für die innerbetriebliche Kommunikation genutzt. Im Juni startete Slack Connect, ein Dienst der es erlaubt, Nachrichten auch zwischen verschiedenen Unternehmen auszutauschen. Slack-CEO Butterfield spricht davon, dass dadurch weitere Kunden gewonnen worden wäre. Er rechnet mit zusätzlichem Wachstum.

Aber große Akquisitionen kommen nicht ohne Fallstricke daher. Als Salesforce 2016 versuchte, Twitter zu kaufen, reagierten Investoren ziemlich ablehnend, Benioff blies das Geschäft ab. Slack passt zwar besser zu Salesforce als Twitter, doch angesichts des Marktwerts von 17 Milliarden Dollar, den Slack vor Bekanntwerden der Übernahmenpläne auf die Waage brachte, käme ein Kauf ziemlich teuer.

"Investoren wollen eigentlich nicht, dass Salesforce einen großen Deal macht", meint Analyst Thill von Jefferies. Ihnen wäre es lieber, Salesforce könnte zeigen, dass es Wachstum aus eigener Kraft schaffen kann.

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November 27, 2020 06:26 ET (11:26 GMT)