ZAMUDIO (dpa-AFX) - Der unter Druck stehende Windanlagenbauer Siemens Gamesa ächzt weiter unter hohen Kosten und Problemen mit seinen Landturbinen. Das Unternehmen erwartet für das Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende September) erneut höhere Verluste als bislang angenommen. Konzernchef Jochen Eickholt sieht für die Branche wegen Materialengpässen und des unsicheren wirtschaftlichen Umfelds beim Bau neuer Windanlagen aktuell nur wenig Spielraum.

Der Windanlagenbauer habe erneut enttäuscht, notierte Analyst Lucas Ferhani vom Investmenthaus Jefferies in einer ersten Reaktion. Die Aktie von Siemens Gamesa verlor am Dienstagvormittag in Madrid knapp 0,2 Prozent. Stärker Federn lassen musste die Muttergesellschaft Siemens Energy, die zum Auftakt rund fünf Prozent verlor, sich jedoch danach wieder erholte und das Minus auf rund ein Prozent eingrenzte.

Hohe Rohstoff- und Logistikkosten sowie Unterbrechungen in der Lieferkette hätten zu Verzögerungen bei neuen Projekten geführt, sagte Eickholt in einer Analystenkonferenz nach der Veröffentlichung der Zahlen für das dritte Quartal. Dies trifft die gesamte Industrie und auch Siemens Gamesa, deren Produktion und Installation neuer Anlagen im dritten Quartal um je ein Viertel zurückgingen. Eickholt geht davon aus, dass die Probleme der Branche anhalten und die Installationen bis 2024 stagnieren werden, insbesondere im Geschäft mit Landturbinen (Onshore). Dazu kämen regulatorische Unsicherheiten. Die politische Maßgabe, die erneuerbaren Energien auszubauen, lässt den Manager jedoch auf ein starkes Wachstum in den Jahren danach hoffen.

Neben den branchenweiten Problemen kämpft Siemens Gamesa weiter mit hausgemachten Schwierigkeiten in ihrem Landturbinengeschäft. Neben den anhaltend hohen Anlaufkosten für die neue Onshore-Turbine 5.X musste der Konzern im dritten Quartal auch hohe Kosten im Zusammenhang mit der Wartung und Reparatur älterer Anlagen hinnehmen: Bei den betroffenen, einige Jahre alten Anlagen zeigten etwa Rotorblätter Risse oder die elektrischen Systeme wie etwa in Generatoren machten Probleme.

Das alles führt dazu, dass die Tochter von Siemens Energy bei der Ergebnisprognose zum wiederholten Mal zurückrudern muss. So soll die bereinigte operative Marge (Ebit) bei minus 5,5 Prozent liegen. Im Mai hatte das Unternehmen noch ein Ziel von minus vier Prozent ausgegeben. Nach neun Monaten steht bislang eine bereinigte Ebit-Marge von fast minus 14 Prozent zu Buche. Beim Umsatz erwartet der Windanlagenbauer nun einen Rückgang von neun Prozent. Bisher hatte der Konzern eine Spanne von minus zwei bis minus neun Prozent angepeilt. Und auch für das neue Geschäftsjahr geht Siemens Gamesa von einer negativen bereinigten Ebit-Rendite aus.

Das dritte Quartal fiel dabei schwächer aus als erwartet. Der Umsatz sank um knapp zehn Prozent auf rund 2,4 Milliarden Euro. Dabei machten sich die Projektverzögerungen infolge des Materialmangels sowie die anhaltenden Probleme bei der 5.X-Turbine bemerkbar. Dies sowie die erheblich gestiegenen Kosten ließen den Verlust beim bereinigten operativen Gewinn um mehr als das Doppelte auf 343 Millionen Euro anschwellen. Der Konzern weitet daher den Verlust mit 446 Millionen Euro kräftig aus. Ein Jahr zuvor hatte der Verlust 314 Millionen Euro betragen.

Es gibt jedoch auch kleine Lichtblicke. So kann das Unternehmen auf einen Rekordauftragsbestand von 34 Milliarden Euro blicken, mit einem Neugeschäft von 3,5 Milliarden Euro im dritten Quartal, welches insbesondere von einer robusten Entwicklung im Geschäft mit den renditestärkeren Meeresanlagen profitierte. Aber auch bei Landanlagen sieht das Unternehmen eine leichte Erholung im Vergleich zum Vorquartal. Zudem halte der Aufwärtstrend bei den durchschnittlichen Verkaufspreisen für die Onshore-Anlagen an. Der Verkauf von in der Entwicklung befindlichen Projekten komme voran, hier rechnet Siemens Gamesa im vierten Quartal mit einem Mittelzufluss von rund 540 Millionen Euro.

Um die Profitabilität zu stabilisieren und mittelfristig zu verbessern, will Eickholt dem Konzern eine neue Struktur verpassen. So sollen die verschiedenen Strukturen und Technologien vereinheitlicht werden. Geplant ist künftig nur noch ein Entwicklungsteam über alle Plattformen hinweg, gleiches gilt für die Produktion. Zudem sollen die Kapazitäten überprüft werden. Eickholt erhofft sich so einfachere und schlankere Strukturen. Einen Stellenabbau schloss der Manager dabei nicht aus. Derzeit würden Gespräche mit den Sozialpartnern geführt. Wie viele Arbeitsplätze zur Disposition stehen könnten, wollte Eickholt nicht sagen. Finalisiert werden sollen die Pläne bis Oktober, im Januar soll das neue Konzept starten.

Die Probleme bei dem Windanlagenbauer belasten auch den Energietechnikkonzern Siemens Energy, dem rund zwei Drittel an den Spaniern gehört. Der Konzern hatte daher jüngst entschieden, für die restlichen Anteile ein Übernahmeangebot zu machen und Siemens Gamesa nach erfolgreichem Abschluss bei sich zu integrieren. Eickholt, der selbst erst Anfang des Jahres von Siemens Energy zum Windanlagenbauer wechselte, wollte sich nicht weiter dazu äußern, sondern erklärte, das Angebot liege derzeit bei den Behörden zur Prüfung. Siemens Energie legt seine Zahlen am kommenden Montag (8.8.) vor./nas/mne/mis