Schon von April an ist der 56 Jahre alte bisherige Stellvertreter Kaesers für die drei künftigen Kern-Sparten verantwortlich, wie Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe am Freitag deutlich machte. Auch die Finanzplanung für das Geschäftsjahr 2020/21, das im Oktober beginnt, ist dann Buschs Metier. Kaeser bleibt die Verantwortung für die Energie-Sparte, die Ende September an die Börse gebracht werden soll und deren Aufsichtsratschef er werden soll. Der Streit um die Abspaltung von Siemens Energy kostet Buschs einstigen Rivalen um Kaesers Nachfolge den Job: Die Ablösung von Michael Sen, der Chef von Siemens Energy werden sollte, sei "notwendig und unumgänglich" gewesen, sagte Snabe.

Nach Aussage von Kaeser ist es "um das Miteinander von Siemens AG und Siemens Energy gegangen". Der Vorstandschef bestritt in einer Telefonkonferenz, dass es Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und Sen gegeben habe. Kaeser räumte aber "Interessenkonflikte" ein, wie und wie schnell die Abspaltung vollzogen werden solle. Sen hatte laut Insidern darauf gedrängt, dass Siemens seine Beteiligung an der Tochter gleich von Anfang an auf 30 Prozent reduzieren solle, um Siemens Energy mehr Freiheit zu geben. Fest stehe, dass Siemens die Mehrheit abgeben und die Tochter nicht mehr voll bilanzieren wolle, sagte Kaeser. Wie hoch der Anteil des Mutterkonzerns beim Börsengang sein werde, sei noch offen. "Möglichst zügig" solle er aber auf 25 Prozent abgeschmolzen werden.

Die Ablösung von Sen habe sich schon länger abgezeichnet, machte Kaeser deutlich. "Deshalb hat uns die Entwicklung nicht unvorbereitet getroffen." Sens Nachfolger Christian Bruch, der bisherige Chef der Anlagenbau-Sparte von Linde, kann schon am 1. Mai anfangen. Er habe bei dem Gasehersteller viel Erfahrung mit dem Wasserstoff-Geschäft gewonnen, auf das Siemens in der Energiewende große Hoffnungen setzt.

Für Kaeser selbst wird das Geschäft mit Kraftwerksturbinen, Hochspannungsnetzen und Windrädern von April an zum Kernthema. Als Vorstandschef hört der 62-Jährige offiziell "spätestens" zur Hauptversammlung am 3. Februar 2021 auf. Ein späterer Wechsel in den Siemens-Aufsichtsrat, den die Investoren zunehmend skeptisch gesehen hatten, ist für Kaeser offenbar vom Tisch. Siemens habe einen "hervorragenden Aufsichtsratsvorsitzenden", sagte er. "Es gibt keinen Grund, weitergehende Vorstellungen zu entwickeln."

IST DIE PROGNOSE ZU HALTEN?

Am Börsengang von Siemens Energy will Kaeser nicht rütteln. Die rechtliche Ausgliederung Ende März sei auf Kurs, einziger Unsicherheitsfaktor ist die Hauptversammlung, die am 9. Juli über die Abspaltung abstimmen soll. "Es gibt Pläne, und es gibt Realitäten", sagte der Siemens-Chef. Derzeit sind Versammlungen wegen der Corona-Pandemie in Deutschland verboten.

Auch operativ geht der Ausbruch der Coronavirus-Epidemie an Siemens nicht spurlos vorüber. "Ich gehe davon aus, dass wir die Auswirkungen im zweiten Quartal spüren werden", sagte Kaeser. Wie sie aussehen, sei bisher nicht abzuschätzen. "Wir müssen auf Sicht fahren - aber die Sicht ist im Moment nicht sehr weit." Die Anleger rechneten aber offenbar nicht mehr damit, dass der Konzern seine Ziele für 2019/20 erreiche, sagte Kaeser mit Blick auf den seit Anfang Februar um fast die Hälfte abgestürzten Kurs der Siemens-Aktie. Am Freitag zog sie aber stärker an als der Leitindex Dax. 57 Siemens-Mitarbeiter seien infiziert, davon 41 in Deutschland, doch noch liefen fast alle Werke. Hoffnung macht Kaeser die Entwicklung in China: Dort hätten die Werke wieder 95 Prozent der Auslastung von vor dem Ausbruch erreicht.