(neu: Aussagen aus Konferenz, Kurs aktualisiert, mehr Details.)

HANNOVER (dpa-AFX) - Nach zwei harten Verlustjahren hat sich Continental aus den roten Zahlen befreit, stellt sich wegen des Krieges in der Ukraine und weiterer Risiken aber auf neue Probleme für die globale Autobranche ein. Der Zulieferer und Reifenhersteller aus Hannover erzielte 2021 unterm Strich 1,46 Milliarden Euro Gewinn. Davor hatten der Corona-Absatzeinbruch sowie der Konzernumbau das Dax-Unternehmen belastet. Zuletzt gelang eine Stabilisierung - obwohl das Marktumfeld "anhaltend turbulent" war, wie es am Mittwoch hieß.

Elektronik-Engpässe hatten die Industrie weltweit getroffen. Aufträge konnten nicht abgearbeitet werden. "Bei der Versorgung rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte mit einer leichten Verbesserung", sagte Finanzchefin Katja Dürrfeld. Die Mehrkosten für Beschaffung und Logistik dürften sich aber bei bis zu 2,3 Milliarden Euro einpendeln.

Jetzt blickt die Branche mit großer Sorge nach Osteuropa. Angesichts der Invasion in die Ukraine beschloss auch Continental, seine Fertigung in und seinen Außenhandel mit Russland vorerst komplett zu stoppen. "Die Situation ist extrem dynamisch, sie verändert sich jeden Tag, jede Stunde", berichtete Vorstandschef Nikolai Setzer.

Man prüfe alternative Standorte für die Belieferung aus Kaluga, wo der Konzern ein Werk für Reifen und Maschinenteile hat. Der Anteil des Umsatzes in der Russischen Föderation sei mit unter einem Prozent gering. Zumindest indirekt könnten sich jedoch Lieferprobleme von Autobauern bei Kabelbäumen aus der Ukraine auswirken, glaubt Setzer.

Noch geht das Management für 2022 von anziehenden Geschäften aus. Es warnte allerdings: "Sollte die geopolitische Lage angespannt bleiben oder sich gar verschlechtern, kann dies eine nachhaltige Störung in Produktion, Lieferketten und Nachfrage verursachen." Conti rechnet im aktuellen Szenario mit überraschend hohen 38 Milliarden bis 40 Milliarden Euro Umsatz. Bei der um Sondereffekte bereinigten Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern plant das Management 5,5 bis 6,5 Prozent ein nach 5,6 Prozent im vergangenen Jahr. Hier hatten sich Analysten mehr ausgerechnet.

Die Conti-Aktie legte am Nachmittag in einem starken Gesamtmarkt um 4,8 Prozent auf 64,78 Euro zu. Sie war in den vergangenen Wochen stark unter Druck geraten und von einem Zwischenhoch im November bei fast 112 Euro auf im Tief unter 60 Euro abgeschmiert. Aktuell liegt der Marktwert an der Börse bei nur noch rund 13 Milliarden Euro. Jefferies-Analyst Sascha Gommel sprach von einem erwartet vorsichtigen Ausblick des Konzerns beim operativen Ergebnis. Die Umsatzprognose sei aber stark, schrieb JPMorgan-Experte Jose Asumendi.

"Das abgelaufene Geschäftsjahr hat uns erneut stark gefordert", bilanzierte Setzer. Conti verpasste sich eine neue Struktur, welche die Rolle des autonomen Fahrens aufwerten soll. Gerüchte über einen möglichen Börsengang der Sparte wollte er nicht kommentieren. Eher zugeknöpft gab sich Setzer auch dazu, was das Projekt des Großkunden Volkswagen mit dem Rivalen Bosch in diesem Bereich bedeutet: "Wir sind mit allen Kunden im permanenten Austausch, wir sind offen für Kooperationen."

Reifen könnten unterdessen teurer werden. "Wir sehen weitere substanzielle Preiserhöhungen bei Rohstoffen, nicht nur bei Metallen, sondern auch bei ölbasierten, die für unser Reifengeschäft wichtig sind", erklärte Setzer. Dürrfeld sagte der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX: "Wir haben 2021 unsere Preise regelmäßig überprüft, haben das auch dieses Jahr vor. Was wir durchsetzen können, hängt aber von der Marktlage ab."

Die Conti-Führung setzt ihren Sparkurs fort, in dessen Rahmen alte Jobs aus Hydraulik und Mechanik ab- und neue Tätigkeiten aufgebaut werden. In der Qualifikation der Belegschaft gebe es Fortschritte. Derzeit bildeten sich rund 23 000 Menschen in der eigenen Software-Akademie weiter. Noch mehr nähmen an Onlinekursen teil.

2020 hatten veränderte Bewertungen früherer Zukäufe wie Siemens-VDO auf die Bilanz gedrückt. Der Umsatz konnte nach einem 15-prozentigen Minus nun um 6 Prozent auf 33,8 Milliarden Euro zulegen - stärker als von Experten gedacht. Dabei wurden nur die fortgeführten Geschäfte einbezogen. Die Antriebssparte spaltete Conti in die Firma Vitesco ab. Seither hat der Konzern rund 190 000 Beschäftigte.

Bei dem Autozulieferer lief das Kerngeschäft infolge der Chipkrise schlechter als die profitablen Reifen- und Kunststofftechnikbereiche, die laut Dürrfeld trotz erhöhter Rohstoffpreise "sehr gute Zahlen" vorlegten. Das Automotive-Segment hat jedoch einen hohen Auftragseingang von 18,6 Milliarden Euro.

So liefen neue Display-Technologien oder Hochleistungsrechner gut. Außerdem erhielten "sieben der zehn volumenstärksten Hersteller von Elektrofahrzeugen" Reifen von Conti. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sanken 2021 leicht auf 2,6 Milliarden Euro. Beim autonomen Fahren will der Konzern hier aber drauflegen.

Die Aktionäre sollen nach der Nullrunde 2021 wieder eine Dividende bekommen. Der Hauptversammlung am 29. April werden 2,20 Euro je Papier vorgeschlagen. Aus dem Betriebsrat hieß es: "Wenn der Vorstand dies angesichts einer sehr schwierig einzuschätzenden Wirtschaftslage für machbar hält, muss das auch für eine finanzielle Anerkennung für die Beschäftigten gelten." Er fordert eine "Verbundenheits-Prämie".

Zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover wegen mutmaßlicher Verwicklungen von Technikern in die Diesel-Abgasmanipulationen bei VW meinte Setzer: "Den vorliegenden Sachverhalt klären wir konsequent und vollumfänglich auf." Unregelmäßigkeiten der internen Aufarbeitung hatten im Herbst zum Rücktritt des langjährigen Conti-Finanzvorstands Wolfgang Schäfer geführt. Vitesco bildete inzwischen Rückstellungen von 80 Millionen Euro für mögliche juristische Auseinandersetzungen oder Ausgleichspflichten gegenüber dem früheren Mutterkonzern./jap/men