New York/Frankfurt (Reuters) - Siemens Energy hat juristischen Ärger in den USA.

Der Erzrivale General Electric (GE) hat eine Klage gegen den Hersteller von Kraftwerks-Turbinen eingereicht, weil er sich vor zumindest einem Großauftrag eines US-Regionalversorgers illegal Wettbewerbsvorteile gegenüber GE verschafft haben soll. Das habe Siemens Energy möglicherweise weitere Aufträge im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar eingebracht. Das im September vom Münchner Industriekonzern Siemens abgespaltene und an die Börse gebrachte Unternehmen hatte von einem Mitarbeiter von Dominion Energy vertrauliche Unterlagen zugespielt bekommen, dank denen Siemens GE im Ringen um einen Großauftrag von Dominion leicht ausstechen konnte. GE fordert für Siemens eine Strafe von "hunderten Millionen Dollar oder mehr".

Siemens Energy räumt den Sachverhalt ein, betont aber, den Fall selbst aufgedeckt und gegenüber Dominion und Mitbewerbern offengelegt zu haben. Es gehe darum, dass "wettbewerbsrechtliche Daten zwischen Siemens Energy und einem potenziellen Kunden ausgetauscht wurden". Siemens Energy hatte über den Fall bereits im Börsenprospekt vom September berichtet und die Investoren vor "möglichen negativen Konsequenzen" gewarnt - aber ohne den Namen des betroffenen Konkurrenten zu nennen. Von der Klage habe man bisher nur aus den Medien erfahren, sagte ein Sprecher.

SIEMENS IST EIN GEBRANNTES KIND

Siemens habe aber bereits Konsequenzen gezogen: Die illegal beschafften Daten seien aus allen internen Systemen gelöscht worden. Gegen Mitarbeiter habe man Disziplinarmaßnahmen - bis zu einer Kündigung - eingeleitet. Andere Mitarbeiter, die von den Informationen erfahren hätten, seien von ähnlichen Projekten abgezogen worden. Der Münchner Konzern ist ein gebranntes Kind, was illegale Geschäftspraktiken betrifft: Eine milliardenschwere Bestechungsaffäre, die sich über viele Unternehmensbereiche zog, hatte den Konzern ab 2006 schwer erschüttert. "Integrität ist die Grundlage unserer Geschäftsprinzipien und darf unter keinen Umständen in Frage gestellt werden", betonte der Siemens-Energy-Sprecher.

Die Aktie von Siemens Energy ging nach dem Bekanntwerden der Klage auf Talfahrt. Am Freitag büßte sie 4,6 Prozent auf 31,16 Euro ein. Seit dem Börsengang hatte sie gut 50 Prozent zugelegt. Die Analysten von Citi schätzen, dass auf das Unternehmen eine Strafe von maximal einer Milliarde Dollar zukommen dürfte - von möglichen Folgen für künftige Aufträge abgesehen.

Laut der von GE bei einem Bezirksgericht im US-Bundesstaat Viriginia eingereichten Klageschrift hat ein hochrangiger Dominion-Mitarbeiter während des Vergabeprozesses vertrauliche Unterlagen von GE und die Auswertung der vorliegenden Gebote an einen Siemens-Verantwortlichen weitergereicht - teilweise von seiner privaten E-Mail an die Mail-Adresse der Frau des Siemens-Managers. Das habe Siemens eine "Mustervorlage" gegeben, um den Auftrag über 340 Millionen Dollar im Juli 2019 zu gewinnen.

Der Siemens-Mann habe die Informationen auch an Kollegen weitergegeben, die an ähnlichen Gasturbinen-Aufträgen arbeiteten, um die der Konzern gegen GE antrat. Seither habe Siemens GE bei acht Aufträgen im Wert von mehr als einer Milliarde Dollar ausgestochen. Für einen weiteren Großauftrag von Dominion im Volumen von 120 Millionen Dollar läuft die Frist am Dienstag ab.

Erst 16 Monate später habe Siemens Energy GE über den Fall informiert, die Sache dabei aber heruntergespielt, heißt es in der Klageschrift. Vorher sei GE aber schon von Dominion ins Bild gesetzt worde. Während der Dominion-Mitarbeiter nicht mehr für das Unternehmen arbeite, sei der Empfänger der Informationen noch immer bei Siemens.