--9 bis 11 Prozent Wachstum und 700 Millionen Euro mehr Jahresgewinn als bisher erwartet

--Varian-Übernahmeeffekt in Prognose nicht enthalten, Finanzchef erwartet Belastung

--Zweites Quartal durchweg über Analystenerwartungen

(NEU: Durchgehend neu geschrieben mit Aussagen aus Telefonpressekonferenz und Marktreaktionen)

Von Olaf Ridder

FRANKFURT (Dow Jones)--Siemens trotzt der Corona-Krise überraschend deutlich und erhöht seine Jahresprognose nach drei Monaten abermals kräftig. Der Nettogewinn für das bis Ende September laufende Geschäftsjahr 2020/21 wird nun zwischen 5,7 und 6,2 Milliarden Euro erwartet, wie Siemens in München mitteilte. Bislang lag das Ziel des neuen Konzernchefs Roland Busch bei 5,0 bis 5,7 Milliarden. Knapp 3,9 Milliarden Euro davon hat Siemens nach dem ersten Halbjahr bereits eingefahren - mehr als das Doppelte des Vorjahres. Der Verkauf des Großgetriebeherstellers Flender trug dazu 884 Millionen Euro bei.

Allerdings wird auch die neue Prognose nur ein Quartal halten. Denn die Effekte aus dem Kauf von Varian sind darin noch nicht enthalten. Seit Mitte April gehört der US-Krebsspezialist zur Medizintechniktochter Healthineers. Finanzvorstand Ralf Thomas erwartet nach einer ersten Einschätzung, dass Varian das Siemens-Ergebnis in diesem Jahr mit 300 bis 500 Millionen Euro nach Steuern belasten wird. Genau beziffern für die Prognose lasse sich das erst bei Vorlage der nächsten Zwischenbilanz Anfang August, sagte er. Neben Einmalkosten muss etwa die komplette Varian-Umsatzlegung der hiesigen Bilanzierung angepasst werden. Dadurch wird es zu Einnahmeverschiebungen kommen.

Gewisse Risiken im Geschäft bestehen auch durch knappe Ressourcen bei Chips und elektronischen Bauteilen, wie Vorstandschef Busch sagte. "Daher könnten sich in den kommenden Monaten in einzelnen Fällen Einschränkungen in der Produktion und verlängerte Lieferzeiten ergeben." Siemens arbeite aber hart daran, die Risiken zu verringern. Einen Abriss in der Produktion dürfte sich verhindern lassen, glaubt Busch. Steigende Rohstoffpreise sind in den Prognosen bereits berücksichtigt.

Im abgelaufenen Quartal verzeichnete Siemens auf vergleichbarer Basis einen Anstieg des Umsatzes um 9 Prozent auf 14,7 Milliarden Euro und beim Auftragseingang sogar ein Plus von 11 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. Beides ist deutlich mehr als Analysten erwartet hatten. Der bereinigte operative Gewinn (EBITA) im industriellen Geschäft - die entscheidende Messgröße für die operative Leistungskraft des Konzerns - legte für den Zeitraum Januar bis März gar um 31 Prozent auf 2,09 Milliarden Euro zu. Analysten hatten hier im Schnitt 2,02 Milliarden Euro geschätzt.

Das Wachstum wird sich im Jahresverlauf fortsetzen. Auch die Umsatzprognose hob Siemens an und rechnet auf vergleichbarer Basis nun mit 9 bis 11 Prozent mehr Einnahmen statt - wie bisher erwartet - einem mittel bis hoch einstelligen Zuwachs. Im April sei das Momentum noch nicht abgerissen, sagte Finanzchef Thomas, obwohl im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt schon die deutliche Erholung in China eingesetzt habe. In der Volksrepublik machte Siemens im abgelaufenen Quartal 44 Prozent mehr Umsatz als ein Jahr zuvor.


   Autobranche, Maschinenbau und China waren Wachstumstreiber 

Die deutlichsten Wachstumsimpulse für Siemens kamen zuletzt aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und unserem Softwaregeschäft. Profiteur war einmal mehr Digital Industries, in der das Geschäft mit der Fabrikautomatisierung gebündelt ist. Die Sparte wuchs um 14 Prozent. Im Gesamtjahr soll die Sparte eine Marge von 20 bis 21 Prozent liefern - einen Prozentpunkt mehr als bisher geplant. Zuletzt waren es 20,1 Prozent.

Smart Infrastructure, der Bereich für intelligente Gebäudetechnik und Energieinfrastruktur, soll auf 10,5 bis 11,5 Prozent Marge kommen, einen halben Prozentpunkt mehr als bisher. Hier nimmt das Geschäft mit Elektroladeinfrastruktur richtig Fahrt auf, wie Vorstandschef Busch sagte. Gewinn und Marge verdoppelten sich im abgelaufenen Quartal. Bei der Bahntechnik-Sparte Mobility machten sich zuletzt verschobene Aufträge negativ bemerkbar. Die Marge im Gesamtjahr soll gleichwohl wie geplant bei 9,5 bis 10,5 Prozent liegen.

An der Börse kam Siemens mit seinen Botschaften gut an. Die Aktie notierte 2,4 Prozent im Plus. "Das sind wirklich starke Zahlen", sagte ein Marktteilnehmer am Morgen. Die Analysten von Citi wiesen darauf hin, dass die Konsensschätzungen durchweg übertroffen wurden.

Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com

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May 07, 2021 04:41 ET (08:41 GMT)