MÜNCHEN (awp international) - Der Technologiekonzern Siemens ist mit einem Dämpfer in das neue Geschäftsjahr gestartet. Die anhaltende Schwäche bei den Auto- und Maschinenbauern belastet das Geschäft weiterhin. Die Töchter Healthineers und Gamesa schwächelten. Operativ verdiente Siemens daher im Ende Dezember ausgelaufenen ersten Geschäftsquartal deutlich weniger als von Analysten erwartet.

Überlagert werden die Zahlen jedoch von dem Zwist zwischen dem Konzern und Umweltschützern, den ein Auftrag für Signaltechnik für eine australische Kohlemine ausgelöst hatte. Dies dürfte auch zum bestimmenden Thema der Hauptversammlung in München werden. Aktivisten haben Proteste angekündigt.

"Wir hatten schon bessere Quartale", räumte Vorstandschef Joe Kaeser am Mittwoch bei einer vor der Hauptversammlung einberaumten Pressekonferenz ein. So wirkt sich die Konjunkturschwäche im Auto- und Maschinenbau weiter negativ auf einen Teil der digitalen Geschäfte aus, etwa bei der Automatisierung. Eine Besserung erwartet Kaeser weiter erst in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres.

Wie sich das rasant um sich greifende Coronavirus auf das Geschäft auswirken wird, könne man derzeit noch nicht einschätzen. Es werde sich erst in den nächsten Quartalen zeigen, sagte der Manager mit Blick auf mögliche Absatzeinbussen. Auf der anderen Seite habe Siemens einen Krisenstab für den Einkauf gegründet.

Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) fiel im ersten Geschäftsquartal mit 1,4 Milliarden Euro rund 30 Prozent niedriger aus als ein Jahr zuvor. Analysten hatten hier mit mehr gerechnet. Unter dem Strich lag der Gewinn mit knapp 1,1 Milliarden Euro dank geringerer Steuern und niedrigerer Pensionsrückstellungen etwas über dem Vorjahresniveau. Der Umsatz stieg leicht um 1 Prozent auf 20,3 Milliarden Euro. Der Auftragseingang fiel um 2 Prozent auf 24,8 Milliarden Euro. An seinen Prognosen hielt das Management dennoch fest. Für die Aktie ging es am Vormittag in einem freundlichen Markt leicht aufwärts.

Das Ergebnis der digitalen Geschäfte sank im abgelaufenen Quartal um knapp ein Drittel. Hier belasteten neben der schwächeren Nachfrage zusätzlich Umbaukosten sowie Investitionen etwa ins Cloudgeschäft. Die Ergebnisbeiträge der Medizintechniktochter Healthineers gingen zurück. Das Unternehmen hatte bereits am Montag von einer schwächeren Entwicklung berichtet. Der Windanlagenbauer Gamesa belastete die Bilanz ebenfalls, nachdem er wegen der Verzögerung bei Projekten im abgelaufenen Quartal in die Verlustzone gerutscht war.

Im Mittelpunkt steht bei Siemens in diesem Jahr das Energiegeschäft, das der Konzern ausgliedern und im September an die Börse bringen will. Hier liege Siemens im Zeitplan, hiess es. Die Ergebnisse der Sparte gingen im jüngsten Quartal weiter zurück. Unter anderem belasteten Kosten für die Verselbständigung, aber auch ein höherer Umsatzanteil weniger gewinnträchtiger Bereiche. Michael Sen, Co-Chef von Gas and Power und designierter Vorstandsvorsitzender der neuen Siemens Energy, hofft auf einen höheren Anteil des renditestärkeren Servicegeschäfts im dritten und vierten Geschäftsquartal.

Bei der Verselbstständigung des Energiegeschäfts kommt Siemens voran. In die neue Gesellschaft bringt der Konzern auch seinen Anteil an Siemens Gamesa ein. Hier schlossen die Münchner eine Vereinbarung mit ihrem widerspenstigen Mitaktionär Iberdrola und übernehmen dessen Anteil von gut 8 Prozent. Der Anteil von Siemens an Gamesa steigt damit auf rund 67 Prozent. Siemens und Iberdrola hatten sich in der Vergangenheit juristische Scharmützel rund um Gamesa und die Frage nach Macht und Einfluss geliefert. Nun hofft Kaeser, dass "das Management wieder mehr Kapazität hat, sich mit der Verbesserung der Ertragskraft näher zu befassen".

Siemens steht vor einer turbulenten Hauptversammlung. Mehrere Umweltschutz-Gruppen haben Proteste vor und in der Veranstaltung angekündigt. Dabei geht es hauptsächlich um die Lieferung einer Zugsignalanlage im Wert von rund 18 Millionen Euro für ein riesiges Kohlebergbauprojekt des Adani-Konzerns in Australien. Kaeser zeigte sich am Mittwochmorgen verärgert über die Proteste. Es mute "schon fast grotesk an, dass wir durch ein Signaltechnikprojekt in Australien zur Zielscheibe doch zahlreicher Umweltaktivisten geworden sind", sagte er. Zudem betonte er, dass die Lieferung für die Mine "irrelevant" sei.

An dem Auftrag hält er dennoch fest - aus Haftungsgründen und, um die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu demonstrieren. Allerdings räumte Kaeser auch ein, dass Themen wie Umwelt, Soziales und Unternehmensführung inzwischen wesentliche Strategieelemente seien, die sich in der Unternehmensplanung wiederfinden müssten. Diese dürfte künftig auch für Investoren wichtiger werden.

Kaeser reagierte dennoch zunehmend frustriert auf die Klimadebatte. Bei solchen Themen könne man nicht gewinnen. Ein Anspruch alleine schaffe jedoch noch keine Lösungen./nas/stw/jha/