MÜNCHEN (dpa-AFX) - Mit der Abspaltung seines Energiegeschäfts ist der Technologiekonzern Siemens einen großen Schritt bei seinem Konzernumbau vorangekommen. Die Konzentration auf die Geschäfte mit der Digitalisierung schreitet voran. In der Corona-Krise zeigt sich der Konzern bislang vergleichsweise solide. Was bei Siemens los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

LAGE BEI SIEMENS:

Ende September erreichte Siemens einen weiteren großen Meilenstein bei der Neuausrichtung hin zum Kerngeschäft Digitalisierung. Die Abspaltung des Energiegeschäfts wurde vollzogen, das neue Unternehmen unter dem Namen Siemens Energy an die Börse gebracht. In dem Geschäft ist neben der Sparte Gas and Power auch die Beteiligung am Windanlagenbauer Siemens Gamesa enthalten. Siemens hält noch gut 35 Prozent an Siemens Energy, 9,9 Prozent liegen beim Siemens Pensionsfonds. Die Beteiligung will Siemens weiter deutlich reduzieren.

Dagegen sind die Abspaltungs- und Börsenpläne für die Antriebstochter Flender vom Tisch. Dieses Geschäft will Siemens an den US-Finanzinvestor Carlyle weiterreichen. Rund 2 Milliarden Euro wird der Konzern dafür erhalten.

Damit konzentriert sich Siemens künftig noch stärker auf das Geschäft mit Automatisierung und Software sowie intelligenter Infrastruktur, von dem sich die Münchner große Wachstumschancen versprechen. Abgerundet wird das Portfolio durch die Medizintechniktochter Siemens Healthineers sowie das Zuggeschäft.

In der Corona-Krise hatte sich zuletzt vor allem das Geschäft mit Industrie-Software robust entwickelt. Schwieriger zeigte sich hingegen das Geschäft mit der Automatisierung in den wichtigen Branchen Automobil, Maschinenbau und Luftfahrt. Hier erwartet Siemens auch kurzfristig keine Erholung.

Am 12. November will der Konzern Zahlen für das am 30. September geendete Geschäftsjahr vorlegen. Dabei wird Konzernchef Joe Kaeser zum letzten Mal die Bilanz für das Jahr ziehen. Er übergibt im Februar offiziell den Stab an seinen Nachfolger Roland Busch, der im Oktober bereits operativ das Ruder in dem Konzern übernahm. Busch steht dabei vor der Aufgabe, nach den jahrelangen Umbaumaßnahmen das Geschäft von Siemens mit der digitalen Technik weiterzuentwickeln und einen schlagkräftigen Konzern zu formen.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Marktexperten hatten zuletzt vor allem die zahlreichen Umbaumaßnahmen im Blick. Analysten begrüßten dabei die Wandlung des Riesenkonzerns hin zu einem übersichtlicheren, vereinfachten Unternehmen. Mit der Abspaltung der Energiesparte habe Siemens den entscheidenden Schritt in Richtung eines stärker fokussierten Konzerns getan, in dessen Zentrum nun der Bereich Digital Industries stehe, kommentierte Analyst Alexander Virgo von der Bank of Amerika.

UBS-Experte Guillermo Peigneux Lojo hält das neue Siemens-Portfolio nun für attraktiv. Der Umbau dürfte aber noch nicht zu Ende sein, weitere Meilensteine dürften folgen, schätzt er. Vermehrt in den Blick rückt nun die weitere Entwicklung von Siemens. So geht JPMorgan-Analyst Andreas Will davon aus, dass sich Siemens unter dem neuen Konzernchef Busch mit seinen drei Kernsparten plus den Anteil an Healthineers zunächst auf ein Wachstum aus eigener Kraft und die Steigerung der Profitabilität konzentrieren werde.

Die im dpa-AFX Analyser vertretenen Analysten, die sich seit August mit dem Unternehmen beschäftigt haben, empfehlen die Siemens-Aktie mehrheitlich zum Kauf. Für das vierte Quartal erhoffen sie sich nun noch einen guten Abschluss.

JPMorgan-Analyst Willi etwa notierte zuletzt, dass viele Investitionsgüterhersteller im vergangenen Quartal dank Kosteneinsparungen und Nachholeffekten bei der Nachfrage ergebnisseitig positiv überrascht hätten. Er sehe daher für seine Schätzungen etwas Luft nach oben. Da das Vergleichsquartal der Münchener aus dem Vorjahr aber außerordentlich gewesen sei, liege die Messlatte hoch. Willi rechnet zudem mit einem allenfalls vorsichtigen Ausblick auf das neue Geschäftsjahr.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Aktie wurde vom Corona-Crash an den Finanzmärkten zu Beginn des Jahres zunächst hart getroffen. Von rund 103 Euro Ende Januar ging es bis Mitte März bis auf Kurse von bis 53 Euro Euro zurück. Seitdem hat sich der Kurs wieder kräftig erholt. Mitte Juli knackte die Aktie dabei wieder die 100-Euro-Marke. Am Dienstag schloss die Aktie mit 118,40 Euro.

Damit hat das Papier die Verluste aus dem Corona-Crash mehr als wettgemacht und liegt nun gut 12 Prozent über dem Niveau vom Jahresbeginn. Seit Ende 2015 liegt das Wachstum bei fast 46 Prozent. Bis zum Rekordhoch von 120,83 aus dem Frühling 2017 fehlt nun nicht mehr viel. Die Kurse sind um die jüngsten Konzernabspaltungen bereinigt.

Mit einer Marktkapitalisierung von rund 100 Milliarden Euro gehört Siemens zu den Schwergewichten im Dax. Nur der Gasehersteller Linde (116 Milliarden) und der Softwarekonzern SAP (122 Milliarden) sind mehr wert als die Münchner.

Analysten sehen beim Kurs noch Luft nach oben. So haben die Experten von JPMorgan und Kepler Chevreux ein Kursziel von 125 Euro ausgelobt. Das Analysehaus Jefferies sieht 135 Euro als gerechtfertigt an. Noch optimistischer zeigte sich die Credit Suisse mit 145 Euro sowie die Berenberg Bank mit 146 Euro./nas/mne/mis