Von Carol Ryan
LONDON (Dow Jones)--Angesichts vieler verlustreicher Offshore-Windenergieprojekte werden Regierungen mehr bezahlen müssen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Jüngste Auktionen gehen einen Hinweis darauf, wie viel mehr.
Höhere Preise für Stahl, Arbeitskräfte und Finanzierung haben die Kosten für Entwicklung von Windparks seit 2019 um fast 40 Prozent in die Höhe getrieben. Das ist ein Riesenproblem für Entwickler wie die dänische Oersted, die vor einigen Jahren Strom-Liefervereinbarungen zu Preisen unterzeichnet hat, die die heute anfallenden Kosten nicht mehr decken.
Die Probleme der Entwickler wirken sich auf die Hersteller von Windturbinen wie Vestas, General Electric (GE) und Siemens Energy aus. Die Siemens-Energy-Tochter Gamesa hat im jüngsten Geschäftsjahr einen Verlust von 4,3 Milliarden Euro eingefahren. Allerdings lagen die Probleme eher bei den Onshore- als bei den Offshore-Turbinen.
Die Bundesregierung stellt milliardenschwere Garantien für Siemens Energy zur Verfügung. Beim Kapitalmarkttag am Dienstag teilte der Konzern mit, dass die Windenergiesparte erst im Geschäftsjahr 2025/26 eine schwarze Null schreiben wird. GE kündigte an, dass sein Offshore-Windgeschäft dieses Jahr einen Verlust von 1 Milliarden US-Dollar machen wird, ebenso im kommenden Jahr.
US-Projekte werden reihenweise storniert
Die größten Herausforderungen der Branche liegen in den USA. Eigentlich sollten die USA der nächste Wachstumsmarkt sein, nachdem die Biden-Regierung angekündigt hatte, bis 2030 eine Offshore-Kapazität von 30 Gigawatt zu installieren. Stattdessen müssen Entwickler milliardenschwere Abschreibungen auf US-Projekte vornehmen, oder sie ziehen sich gleich komplett zurück. Laut einem Bericht von BloombergNEF ist von den 21,6 Gigawatt Offshore-Windenergie, die bislang vergeben wurden, schon ein Viertel wieder storniert worden. Ein weiteres Drittel sei in Gefahr.
Regierungen reagieren darauf mit einer Erhöhung der garantierten Preise in den Lizenzauktionen. Großbritannien war gezwungen, den garantierten Preis für Offshore-Windkraft um zwei Drittel zu erhöhen, nachdem es für eine Auktion im September nicht ein einziges Gebot gegeben hatte. Der Durchschnittspreis in der jüngsten Auktion in New York im Oktober war um ein Fünftel höher als in vorherigen Runden, wie BloombergNEF berichtet. Der Preis könnte noch weiter steigen, weil neue Verträge einen Inflationsschutz enthalten, der Entwickler von künftigem Kostendruck abschirmen soll.
Höhere, flexiblere Preise für Neuverträge zu zahlen mag sich für New York als die günstigere Lösung erweisen gegenüber einer Neuverhandlung alter Verträge. Entwickler wie BP und Equinor haben Erhöhungen von 49 Prozent gegenüber den in den Originalverträgen festgelegten Energieversorgungsverträgen verlangt. Sie könnten sich zurückziehen, falls der US-Bundesstaat dies ablehnt.
Regierungen und Unternehmen haben sich daran gewöhnt, dass die Kosten für erneuerbare Energie nur einen Weg kennt - den nach oben. Die weltweiten Durchschnittskosten für Offshore-Windstrom - Maß für den notwendigen Mindestpreis der Deckung der Kosten für ein Projekt über dessen Lebensdauer hinweg - ist laut Daten von Bloomberg NEF seit 2009 um 66 Prozent gefallen.
In den vergangenen Jahren ist Offshore-Windkraft als Energiequelle zwar wettbewerbsfähiger geworden, doch nun mutet sie in einigen Märkten schon wieder teurer an im Vergleich zu fossilen Alternativen. Global sind neue Offshore-Windprojekte günstiger als Erdgasprojekte und liegen auf einem Niveau mit Kohle. Aber Offshore-Windkraft ist vor allem in den USA teuer, zum Teil weil die Lieferketten so unausgereift sind und für mehrere Jahre massive Investitionen erfordern.
Chinesische Turbinenhersteller keine echte Alternative
Die neue Realität erschwert es Regierungen, ihre Emissionsziele zu erreichen und gleichzeitig die Stromkosten für die Menschen niedrig zu halten. Aber dichtbevölkerte Regionen wie New York haben möglicherweise keine Wahl als Offshore-Windkraft auszunutzen. Saubere Alternativen wie Onshore-Windkraft und Solarfarmen sind schwer umzusetzen, wenn der Platz knapp ist.
Die Europäische Union weiß, dass chinesische, von Peking großzügig subventionierte Windturbinenhersteller nur zu gerne in die Bresche springen würden, wenn die Regierungen die hiesigen Unternehmen wie Siemens Energy nicht stärker unterstützen. Die Inanspruchnahme der Chinesen würde zwar der EU bei ihrem Plan unterstützten, die Offshore-Kapazität bis 2030 auf das Siebenfache zu erhöhen. Doch dies ginge zu Lasten der Energie-Unabhängigkeit Europas.
Den Wind auf See zu nutzen ist weiterhin ein zentraler Bestandteil der Strategie vieler Staaten, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und die Energiesicherheit zu erhöhen. Aber die Regierungen können nicht länger so tun, als seien diese politischen Ziele günstig zu erfüllen.
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November 23, 2023 03:00 ET (08:00 GMT)