Nach Berichten von "Financial Times" und "Expansion" zu einer möglichen Komplettübernahme von Siemens Gamesa durch Siemens Energy dürfte der Finanzmarkt nach Einschätzung von Citi die Wahrscheinlichkeit größer einschätzen, dass sein solcher Deal auch kommt. Zwar sei in den Berichten von mehreren Optionen die Rede, ein "Buy-out" sei aber am wahrscheinlichsten.

Citi selbst würde es für besser halten, wenn Siemens Energy den Anteil auf 50 Prozent plus eine Aktie senken würde, um mit dem Erlös Investitionen in Zukunftsgeschäfte wie Wasserstoff zu finanzieren.

Zu den Risiken einer Übernahme gehören aus Sicht von Citi eine mögliche niedrigere Bewertung von Siemens Gamesa innerhalb der Gruppe, die Finanzierung der Übernahme (zu hoher Bewertung) durch den Verkauf von anderen Geschäften (mit niedriger Bewertung) und der hohe Preis von mindestens 5,7 Milliarden Euro. Sollte der Deal zustande kommen, würde dies die Kaufempfehlung für Siemens Gamesa unterstreichen. Für Siemens Energy äußern sich die Experten weniger positiv, allerdings sei die aktuelle implizite Bewertung für das traditionelle Kraftwerksgeschäft mit dem 3-fachen des EBITDA schon niedrig genug.

Siemens Energy hält einen Anteil von 67 Prozent an Siemens Gamesa, wobei die verbleibenden 33 Prozent Minderheitsanteile zum Börsenschluss am Montag laut Citi 5,7 Milliarden Euro wert waren. Siemens Energy verfügte Ende März über ein Nettofinanzguthaben von 1,576 Milliarden Euro. Nach einer Gamesa-Komplettübernahme stünde Siemens Energy deshalb mit einer hohen Nettoverschuldung da. Zugleich hätte der Konzern angesichts der volatilen Branche es mit großen, durch das Betriebskapital bedingten Cashflow-Schwankungen zu tun.

Ein Übernahmeangebot unter Verwendung von Aktien würde das Problem für die Bilanz zwar beseitigen, aber zu einer Frage des Umtauschverhältnisses werden. Die Erwähnung des Verkaufs von Vermögenswerten im Bericht von Expansion wertet Citi als Hinweis darauf, dass wohl zumindest ein Teil des Gebots in bar erfolgen soll.

Das Ausmaß der Synergien wäre unklar, heißt es weiter. Normalerweise erfolgten die Ausschreibungen für Getriebe, Stromerzeugungsanlagen und Wasserstoff getrennt, was potenziell bescheidene Umsatzsynergien bedeute.

Ein Risiko sei auch, dass die Bewertung von Siemens Gamesa als Sparte innerhalb einer größeren Gruppe nicht so hoch sein könnte wie als separat notiertes Unternehmen. Es gebe einen Trend an den Märkten, "Pure-Playern" den Vorzug vor schwieriger zu bewertenden "Multi-Industrie-Playern" zu geben. Durch die separate Börsennotierung werde der Wert von Siemens Gamesa sichtbar, während er als Sparte innerhalb des Siemens-Energiekonzerns verdeckt werden könne.

Laut Expansion könnte der Deal mit einem Verkauf von Vermögenswerten an Shanghai Electric oder MHI teilfinanziert werden. Die Citi-Analysten deuten dies so, dass damit der Verkauf von großen Gasturbinen (LGT) gemeint ist. Damit würde Siemens Energy seine niedrig bewerteten Geschäfte verkaufen, um das höher bewertete Geschäft von Gamesa zu finanzieren. Mögliche kartellrechtliche Probleme könnte es geben bei einem Zusammenschluss von Siemens Energy und MHI (wenn das gesamte Gasturbinengeschäft verkauft würde). Citi betont, dass Energie eine kritische Infrastruktur in den USA sei, so dass ein Verkauf auch dort eine Prüfung erfordern könnte. Daneben sehen die Analysten politische Herausforderungen durch einen Verkauf an einen chinesischen Käufer.

Für den Verkauf des Gasturbinengeschäfts spräche, dass angesichts des aktuell negativen implizierten Werts für das fossile Erzeugungsgeschäft ein Verkauf zu einem beliebigen Wert eine Verbesserung darstellen und zugleich die ESG-Bilanz von Siemens Energy insgesamt verbessern würde. Zu beachten sei aber, dass die Gruppe dadurch womöglich nicht komplett fossilfrei werden würde.

Darüber hinaus sehe man den negativen Wert von 4,8 Milliarden Euro, der mit der Stromerzeugung verbunden sei, als nützlich an, um zu zeigen, dass jegliche Bedenken, die sich nur auf die Stromerzeugung bezögen, im Aktienkurs bereits gut eingepreist seien, dass der Markt dies also nicht als eine 4,8 Milliarden Euro schwere Belastung bewerte.

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May 18, 2021 08:38 ET (12:38 GMT)