VENLO (DPA-AFX) - Im Internet ist die Shop Apotheke inzwischen eine wohlbekannte Adresse. Die Pandemie hat dem Konzern mit Sitz im niederländischen Venlo einen Wachstumsschub beschert. Während das Unternehmen im Wettlauf mit engsten Konkurrenten wie der Schweizer DocMorris-Mutter Zur Rose um Kunden buhlt, hofft die Branche auf die Einführung des E-Rezepts in Deutschland. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktien machen.

DAS IST LOS BEI SHOP APOTHEKE:

Mit einem Umsatz von knapp einer Milliarde Euro gehört die Shop Apotheke zu den Marktführern in Europa. Angeboten werden neben frei verkäuflichen Medikamenten beispielsweise Kosmetik und bestimmte Nahrungsmittel. Um seine Position weiter auszubauen, hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren zugekauft. Nach der Übernahme der früheren Mutter Europa Apotheek in Venlo im November 2017 verleibte sich Shop Apotheke beispielsweise 2018 die auf Fitness- und Sportnahrung spezialisierte nu3 GmbH aus Berlin ein.

Der Markt der Online-Apotheken gilt wegen seines Wachstumspotenzials als lukrativ, ist aber auch hart umkämpft. Vor allem Größe und eine starke Logistik zählen, um Kunden locken zu können. Der Internet-Riese Amazon gilt deshalb auch als potenzielle Bedrohung. Und dabei locken Online-Anbieter wie Shop Apotheke selber nicht selten mit Preisen, bei denen stationäre Apotheken im Vergleich alt aussehen.

In Deutschland sehen stationäre Apotheker daher auch der Einführung des elektronischen Rezepts mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn Online-Apotheken wie Shop Apotheke und Zur Rose erhoffen sich durch das E-Rezept weiteren Schub. Ihr Kalkül: Kauft der Kunde bei ihnen frei verkäufliche Produkte im Netz, kann er künftig auch das rezeptpflichtige Mittel gleich mitbestellen - und umgekehrt.

Während in anderen Ländern wie etwa den Niederlanden oder Schweiz das E-Rezept bereits Praxis ist, ist in Deutschland nach aktuellem Stand die flächendeckende Einführung zu Jahresanfang 2022 geplant. Auch die Shop Apotheke steht hierfür in den Startlöchern. Seit dem vergangenen Herbst ist ein zusätzliches Team in Berlin am Start, um das Projekt zu begleiten und das sogenannte E-Health-Geschäft in den kommenden Jahren weiter zu stärken.

Hierfür setzt der Konzern auch auf Kundenbindung etwa durch digitales Medikationsmanagement, ein Trend, der zunehmend im Kommen ist. In diesem Bereich kaufte Shop Apotheke in diesem Jahr bereits zwei Mal zu, in Deutschland und in den Niederlanden. Damit treibt das Management um Konzernchef Stefan Feltens nach eigenen Worten seine Strategie voran, sich von einem reinen Online-Händler zu einer Online-Apotheken-Plattform zu entwickeln

Im vergangenen Jahr lief es für Shop Apotheke auch ohne das E-Rezept rund, der Pandemie sei Dank. Mehrfach passte der Konzern die Umsatz- und Gewinnprognosen an, um sie am Ende noch zu übertreffen. Während es operativ besser lief, schrieb Shop Apotheke unter dem Strich allerdings noch rote Zahlen. Dies war auch im ersten Quartal 2021 noch so, als zudem die rückläufige Marge für Enttäuschung am Markt sorgte.

Für das Gesamtjahr stellt der Konzern Zuwächse in Aussicht, angestrebt ist ein Umsatzplus von rund 20 Prozent oder mehr. Vom Erlös sollen 2,3 bis 2,8 (2020: 2,2) Prozent als bereinigter Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen hängen bleiben.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Mehrheit der zehn im dpa-AFX Analyser erfassten Experten votiert aktuell für einen Kauf der Papiere. Neben nur wenigen Branchenkennern mit einer Neutral-Einstufung an der Seitenlinie sprechen sich einzig die Analysten von Kepler Cheuvreux für einen Verkauf aus. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 210 Euro und damit deutlich über dem aktuellen Niveau - die Spanne reicht dabei allerdings von 108 Euro (Kepler Cheuvreux) bis 270 Euro (Bank of America).

Zum Anfang Mai veröffentlichten Quartalsbericht hatten Experten vor allem die Marge bemängelt. Die Profitabilität lasse etwas zu wünschen übrig, schrieb etwa Warburg-Analyst Michael Heider. Grundsätzlich stufte er den Jahresauftakt der Onlineapotheke aber als stark ein. Auch der Ausblick für das Gesamtjahr sollte erreichbar sein, glaubt der Experte. Baader-Analyst Volker Bosse verwies unterdessen darauf, dass das Unternehmen zum Jahresstart bei nicht verschreibungspflichtigen Produkten an Boden gewonnen habe.

Analyst Gerhard Orgonas von der Privatbank Berenberg sprach von einem starken Quartal. In einem schwachen Marktumfeld sei dem Unternehmen ein starkes Umsatzwachstum gelungen, lobte er. Er sieht die strukturellen Wachstumstreiber weiterhin intakt. So rechnet er etwa damit, dass die Umsätze mit verschreibungspflichtigen Mitteln nach einem Knick in diesem Jahr wegen des E-Rezepts 2022 um 70 Prozent anziehen sollten. Zudem sollten sich bereits im vierten Quartal dieses Jahres die Margen wieder deutlich bessern, wenn der Konzern komplett in sein neues halbautomatisiertes Lager umgezogen sei.

Unterdessen beschäftigt die Experten auch die drohende Konkurrenz durch den US-Internetriesen Amazon. Jefferies-Analyst Alexander Thiel widmete sich zuletzt den Spekulationen, wonach der US-Konzern in seinem Heimatmarkt womöglich stationäre Apotheken öffnen könnte. Für ein ähnliches Vorgehen in Deutschland sieht er indes hohe Hürden, da Apotheken unter anderem nicht als große Ketten mit mehr als vier Filialen geführt werden dürften und der Eigner zudem nicht aus dem Ausland kommen dürfe, wie er schrieb.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für die Anleger der Shop Apotheke gibt es eine Zeit vor und eine Zeit seit der Pandemie. Vor der Eskalation der Corona-Krise an den Aktienmärkten Ende Februar 2020 bewegte sich der Kurs in doch recht überschaubaren Bahnen. So war in den Monaten nach dem Börsengang vom Oktober 2016 erst einmal Ruhe angesagt: Von rund 30 Euro zu Beginn ging es zunächst runter bis zum Rekordtief bei 24 Euro im Dezember 2016, bevor sich die Papiere wieder etwas nach oben vorarbeiteten.

Ein wenig mehr Schwung in die Aktien kam dann im Mai 2017, als die Marke von 40 Euro fiel. Ein weiterer Schub hievte die Anteilsscheine bis knapp 65 Euro Ende 2017, doch dann sollte der Aufwärtsdrang erst einmal gut zwei Jahre lang erlahmen.

Die Wende kam kurz nach dem allgemeinen Marktcrash wegen der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020. Im Sog der Märkte ging es zunächst Mitte März auf ein Zwischentief bei knapp 37 Euro abwärts, doch ab diesem Zeitpunkt kletterten die Papiere in Zehner- oder gar Zwanzigerwärtsschritten Monat für Monat weiter nach oben - bis auf gut 166 Euro Ende August.

Nach einer Verschnaufpause schafften die Anteilscheine dann den Sprung bis zum Rekordhoch bei 249 Euro im Februar dieses Jahres. Doch aktuell hat es den Anschein, als ob der Kurs nun genauso schnell wieder in sich zusammenfällt. Erst jüngst wurde die Marke von 160 Euro gerissen, aktuell notiert das Papier bei 153 Euro.

Inzwischen hat sich das charttechnische Bild auf allen wichtigen Zeitebenen teils eingetrübt: Mittlerweile notieren die Aktien unter den 21-, 50- und 200-Tage-Durchschnittslinien, welche die kurz-, mittel- beziehungsweise langfristigen Trends beschreiben. Die Papiere der Shop Apotheke sind seit September 2020 im MDax der mittelgroßen Werte gelistet. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp 2,8 Milliarden Euro zählen sie in dieser Börsenliga zu den Leichtgewichten.

Trotz der jüngsten Verluste zählt das Papier zu den ganz großen Gewinnern der Corona-Krise an den Finanzmärkten. Seit Ende 2019 zog der Kurs um mehr als 250 Prozent an - mehr haben unter den deutschen Standardwerten im Dax und MDax nur die Anteile von Hellofresh (291 Prozent) zugelegt. Im SDax gibt es dagegen einige Titel, die noch höhere Gewinne aufweisen - wie Westwing (1394 Prozent), Global Fashion Group (435 Prozent), Flatexdegiro (324 Prozent), Verbio (273 Prozent) und Home24 (254 Prozent)

Beim Börsengang vor rund viereinhalb Jahren war die Aktie zu 28 Euro ausgegeben worden. Die Marktkapitalisierung hatte gerade einmal bei gut 250 Millionen Euro gelegen. Seitdem hat die Gesellschaft dreimal ihr Kapital erhöht, um Übernahmen und das Geschäftswachstum zu finanzieren.

Auch dies trug neben dem Kursanstieg zu dem deutlichen Anstieg des Börsenwerts bei. Einer der größten Profiteure der Börsen-Erfolgsgeschichte ist der frühere Konzernchef Michael Köhler, der das Unternehmen mitgegründet und 17 Jahre lang geführt hat. Ende 2018 zog er sich aus persönlichen Gründen überraschend zurück, hält aber immer noch 14,5 Prozent an der Shop Apotheke./tav/la/zb/mis