Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)-Shell-Chairman Andrew Mackenzie nahm im Dezember mit der neu erworbenen rein britischen Unternehmensidentität den Mund ganz schön voll. Er wollte "eine Beschleunigung der Ausschüttungen an die Aktionäre ermöglichen und den Übergang von Shell zu einem emissionsfreien Energieunternehmen beschleunigen". Innerhalb einer Woche, nachdem das Unternehmen vollständig britisch geworden war, belohnte es die Finanzinvestoren zwar mit den zugesagten Ausschüttungen. Die grün orientierten Investoren müssen dagegen immer noch warten.

Der Energieriese vermeldete zuletzt ein enorm profitables Jahr mit einem bereinigten Gewinn von 19 Milliarden US-Dollar und einem Cashflow von 45 Milliarden Dollar aus seiner Geschäftstätigkeit. Die Erträge wurden von höheren Öl- und Gaspreisen in einem angespannten Markt begünstigt. Das Unternehmen kündigte ferner an, seine Dividende zu erhöhen und bis zum Sommer Aktien im Wert von 8,5 Milliarden Dollar zurückzukaufen, was zum Teil durch den Verkauf seiner Vermögenswerte im Permian-Becken vereinfacht wurde. Die Aktie stieg im frühen europäischen Handel leicht an.


 
Shell will auch mit grünem Anstrich punkten 
 

Shell ist einer der wenigen globalen Öl- sowie Gasproduzenten und auch führend in der Planung der Umstellung auf sauberere Energie. Während des Tiefpunkts der Pandemie musste das Unternehmen den Anlegern zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine unerwartete Dividendenkürzung mitteilen. Seit sich die Öl- und Gaspreise erholt haben, bemüht sich die Unternehmensleitung, das Vertrauen der finanzorientierten Anleger wiederherzustellen. Die für dieses Quartal versprochenen großzügigen Renditen dürften dazu beitragen, indem sie das Versprechen von Mackenzie schnell einlösen.

Derweil scheint die Zusage des Chairman, den Wandel des Energieriesen zu beschleunigen, weniger energisch umgesetzt zu werden. Es kam zwar zu einigen Fortschritten. Dazu zählen neue Partnerschaften, um die Dekarbonisierung voranzutreiben, Vereinbarungen mit Unternehmen bei erneuerbaren Energien und ein erfolgreiches Angebot für fünf Gigawatt in Form schwimmender Windkraftanlagen in schottischen Gewässern. Die Investitionspläne von Shell für 2022 bleiben jedoch unverändert, wobei nur 3 Milliarden Dollar des 23-Milliarden-Dollar-Budgets in saubere Energien fließen.


 
Shell will sich Öko-Urteilsspruch in Niederlanden nicht beugen 
 

Dies könnte zu den bestehenden Bedenken nachhaltigkeitsorientierter Anleger über den Schritt von Shell beitragen, gegen ein niederländisches Gerichtsurteil Berufung einzulegen, das das Unternehmen zur Reduzierung seiner Emissionen verpflichtet. Der Energiekonzern hat zwar zugesagt, die geforderten Emissionsreduzierungen ohnehin vorzunehmen. Aber die Berufung könnte die Entscheidung des Gerichts kippen und damit einen Präzedenzfall untergraben, mit dem versucht wird, die Konkurrenz und Industriekunden zu ähnlichen Maßnahmen zu zwingen. Es ist unklar, wie viele umweltbewusste Aktionäre Shell hat, aber die Ergebnisse des Unternehmens waren nicht geeignet, andere zu überzeugen. Mit so viel Bargeld in der Hand steht das Unternehmen unter Druck, mehr Geld auszugeben, um auch bei umweltbewussten Anlegern Vertrauen aufzubauen.

Kontakt zur Autorin: unternehmen.de@dowjones.com

DJG/DJN/axw/jhe

(END) Dow Jones Newswires

February 03, 2022 10:01 ET (15:01 GMT)