Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Bei Öl- und Gasriesen auf beiden Seiten des Atlantiks sprudeln die Gewinne. Sie profitieren davon, dass die Energiepreise wegen des Krieges in der Ukraine länger hoch bleiben. Für die Anleger scheint Shell, gemessen am Anteil des Marktwertes, die der in London notierte Konzern an die Aktionäre zurückgibt, besonders verlockend.

Shell vermeldete als bislang letztes großes Energieunternehmen Rekordergebnisse für das Jahr 2022. Auch die US-Konkurrenten Chevron und Exxon Mobil hatten in den vergangenen Tagen Rekordgewinne präsentiert. Shell hat seinen bereinigten Gewinn auf 39,9 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt und damit den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2008 gebrochen. Das Unternehmen hat außerdem 17 Milliarden Dollar mehr verdient als 2014, als die Preise für Öl der Nordseesorte Brent auf einem ähnlichen Niveau wie heute lagen.

Ein Grund dafür ist ein starkes Jahresende für das riesige Geschäft mit Flüssigerdgas (LNG). So trug ein hervorragendes Ergebnis der integrierten Gassparte dazu bei, dass die Gewinne im vierten Quartal auf 9,8 Milliarden Dollar emporschnellten, das waren fast 2 Milliarden Dollar mehr als von Analysten erwartet. Die guten Nachrichten waren eine willkommene Abwechslung zum schwachen dritten Quartal, in dem Absicherungsgeschäfte, die wegen der schwankenden Energiepreise nicht zustande kamen, auf den Gewinn des Konzerns drückten.

Insgesamt schüttete Shell im vergangenen Jahr 26 Milliarden Dollar an seine Aktionäre aus. Die Gesamtausschüttungsrendite des Konzerns, die sich aus der Summe der Dividenden und Rückkäufe im Verhältnis zum durchschnittlichen Marktwert ergibt, lag nach Angaben des Brokerhauses Bernstein im Jahr 2022 bei 13 Prozent. Zum Vergleich: Sie rangierten bei jeweils 8 Prozent und 7 Prozent bei Exxon Mobil und Chevron.


   Europäische Konzerne entdecken zunehmend Aktienrückkäufe für sich 

Auch die integrierten Energieunternehmen in Europa haben ihre Aktienrückkäufe stark ausgeweitet. Im Jahr 2022 gaben sie 42 Milliarden Dollar für ihre eigenen Aktien aus, gegenüber 9 Milliarden Dollar im Jahr 2021. Das kann nur so lange anhalten, wie die Unternehmen fette Gewinne machen. Es passt aber auch zu einem allgemeinen Trend zu Aktienrückkäufen bei europäischen Unternehmen, insbesondere im Energie- und Finanzsektor. Bernstein hat errechnet, dass europäische Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten Rückkäufe im Wert von durchschnittlich 2,4 Prozent ihrer Marktkapitalisierung angekündigt haben. Dagegen sind es 2,2 Prozent bei US-Unternehmen - das erste Mal seit mindestens 20 Jahren, dass Europa die US-Aktien in diesem Punkt überholt hat.

Im Moment fließen die Gelder weiter. Shell hat seine Dividende für das vierte Quartal um 15 Prozent erhöht und angekündigt, dass es bis zu den Ergebnissen des ersten Quartals Aktien im Wert von 4 Milliarden Dollar zurückkauft. Die europäischen Energiekonzerne haben noch einiges zu tun, um die immer größer werdende Bewertungslücke gegenüber ihren amerikanischen Konkurrenten zu schließen. Großzügige Aktionärsrenditen dürften dabei helfen.

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(END) Dow Jones Newswires

February 03, 2023 07:27 ET (12:27 GMT)