Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Die Geschäfte der europäischen Ölkonzerne BP und Shell könnten zu rund laufen, um die Politik zu beruhigen. BP hat im dritten Quartal einen bereinigten Gewinn von 8,2 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet - etwas weniger als im Vorquartal, aber weit mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Rohstoffpreise haben sich seit dem Sommer abgeschwächt, aber die volatilen Erdgasmärkte verhalfen dem BP-Handelsgeschäft zu außergewöhnlichen Gewinnen. Der Gashandel von Shell hatte ein enttäuschendes Quartal, aber das Unternehmen meldete vergangene Woche dennoch starke Ergebnisse mit einem bereinigten Gewinn von 9,5 Milliarden Dollar.

Dies sind auffallend gute Ansatzpunkte für Politiker, die unter Druck stehen, etwas gegen die energiebedingte Inflation zu unternehmen, die Haushalte und industrielle Nutzer hart trifft.


Bidens Zugriff auf die Gewinne dürfte schwierig werden 

US-Präsident Joe Biden drohte zum Wochenauftakt nach den Rekordergebnissen von Exxon und Chevron für das dritte Quartal mit zusätzlichen Abgaben auf die Gewinne der Produzenten. Die politischen Gegebenheiten in den USA werden es ihm wahrscheinlich schwer machen, diese Drohung in die Tat umzusetzen.

Aber zusätzliche Steuern in Europa scheinen so gut wie sicher zu sein. So hat die Energieknappheit zu einer dramatischen Inflation der Kraftstoff- und Stromrechnungen geführt. Die Politiker stehen nach wie vor unter erheblichem Druck, die Belastung zu verringern, aber die meisten sind durch die knappen Staatsfinanzen eingeschränkt. Von daher führen die hohen Profite der Energieerzeuger zu der Forderung, einen Teil ihrer "unerwarteten Gewinne" abzuschöpfen. Einige Länder haben bereits Abgaben erhoben, und viele erwägen weitere.


Sunak will Öl- und Gaskonzernen an den Geldbeutel 

Großbritannien, wo sowohl BP als auch Shell ihren Sitz haben, ist ein gutes Beispiel dafür. Vor sechs Monaten brachte der damalige Finanzminister Rishi Sunak eine 25-prozentige "Energy Profits Levy" auf britische Öl- und Gasgewinne auf den Weg. Sie sollte bis 2025 gelten und in den ersten zwölf Monaten 5 Milliarden britische Pfund, umgerechnet rund 5,8 Milliarden Euro, einbringen. Sie beinhaltete einen auch bis zu 91 Prozent Steuererleichterung auf inländische Investitionen.

Die neuen Steuereinnahmen dürften trotz der von den großen Produzenten gemeldeten Rekordergebnisse eher enttäuschend ausfallen. BP teilte mit, dass die britische Abgabe das Unternehmen in diesem Jahr 800 Millionen Dollar kostet, die Teil seiner gesamten Steuerrechnung von 2,5 Milliarden Dollar in Großbritannien sind.

Shell zahlt nach eigenen Angaben in diesem Jahr wohl überhaupt keine britischen Steuern, was zum Teil an den Abzügen für seine zusätzlichen Investitionen in der Nordsee liegt. Die Unternehmen haben sich an die neuen Regeln gehalten, aber das hat die öffentliche Reaktion und die Forderung nach einer größeren Beteiligung an ihren Gewinnen nicht verhindert.

Ein Teil des Problems besteht darin, dass die Unternehmen den Anlegern reichlich Gewinne bescheren. Zusammengenommen haben sie in den ersten drei Quartalen 2022 Dividenden in Höhe von 9 Milliarden Dollar ausgeschüttet und Aktien im Wert von 21 Milliarden Dollar zurückgekauft. Beide stellen in Aussicht, dass noch mehr kommt.

Aber gerade diese Großzügigkeit macht sie zu leichten Zielscheiben. Sunak ist bestrebt, sich als neuer britischer Premierminister zu profilieren, und bemüht sich, ein klaffendes Haushaltsloch zu stopfen. Neue Abgaben in ganz Europa scheinen im gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Klima fast unvermeidlich, aber das Kleingedruckte wird für Investoren entscheidend sein.

Wenn die Steuerregeln großzügige Investitionsabzüge vorsehen, werden die Unternehmen die Möglichkeit haben, ihre Ausgaben zu minimieren. Entscheiden sich die Politiker für etwas Neuartiges, zum Beispiel eine Steuer auf Aktienrückkäufe, ähnlich der von Biden vorgeschlagenen Abgabe, könnten die Auswirkungen weitaus tiefer gehen.

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DJG/DJN/axw/smh

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November 02, 2022 06:15 ET (10:15 GMT)