(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz, Konzernumbau und Aktienkurs.)

WIESBADEN (dpa-AFX) - Der Umbau des Kohlefaserspezialisten SGL Carbon trägt Früchte. Nach drei Verlustjahren erzielte der Konzern 2021 wieder einen Gewinn. Doch jetzt trüben der russische Angriff auf die Ukraine und der Anstieg der Energie- und Transportpreise die Aussichten für das laufende Jahr. Die SGL-Führung will jedoch, zumindest einen Teil der wegen des Ukraine-Kriegs gestiegenen Kosten an die Kunden weitergeben, wie das Unternehmen am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte. Es bleiben aber zahlreiche Unsicherheiten. Für die SGL-Aktie ging es deutlich abwärts.

Am Nachmittag lag das Papier zuletzt noch mit rund acht Prozent im Minus bei 5,41 Euro und war größter Verlierer im Nebenwerte-Index SDax. Seit dem Jahreswechsel ist der Kurs um rund 30 Prozent gesunken. Der Ausblick auf 2022 sei enttäuschend, sagte ein Aktienhändler. Die Zahlen 2021 seien aber zumindest auf der Ertragsseite besser.

SGL Carbon will vom Wachstum der Halbleiterindustrie sowie dem Ausbau der Elektromobilität und der Erneuerbaren Energien profitieren. Allerdings könnte die Erholung des Geschäfts und die Nachfrage dieses Jahr durch die anhaltenden Pandemie-Maßnahmen und die noch schwer absehbaren Folgen des Kriegs gedämpft werden, räumte das Unternehmen ein.

Der eigene Umsatzanteil in Belarus und Russland betrage zwar unter ein Promille, sagte Konzernchef Torsten Derr. Daher seien keine Mengenverluste zu erwarten. Allerdings fürchten die Wiesbadener unterbrochene Lieferketten und Produktionsunterbrechungen bei ihren Kunden als mögliche Belastung.

So sei es beispielsweise wegen des Krieges nicht mehr möglich, die Transsibirische Eisenbahn zu nutzen. Stattdessen muss SGL nun die seit geraumer Zeit sehr knappen und dementsprechend teuren Transporte per Containerschiff in Anspruch nehmen. Hinsichtlich möglicher Produktionsausfälle vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs stehe das Unternehmen in engem Austausch mit den Kunden.

"Am meisten Sorgen machen mir die gestiegenen Energie- und Rohstoffkosten", sagte Derr. Um die Risiken aus weiteren Preissteigerungen für sich zu minimieren, hat der Konzern nach eigenen Angaben rund 85 Prozent seines Energiebedarfs durch Sicherungsgeschäfte abgedeckt.

Bei seiner Prognose setzt SGL Carbon voraus, einen Teil der gestiegenen Kosten an seine Kunden weitergeben zu können. Noch nicht absehbare Liefer- und Produktionsunterbrechungen bei den Kunden sowie eine mögliche Eintrübung der Weltwirtschaft seien in der Prognose hingegen nicht enthalten, hieß es.

Der Konzernumsatz soll 2022 auf dem Niveau des Vorjahres stagnieren - da war er um 9,5 Prozent auf gut eine Milliarde Euro gestiegen. Beim bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) erwartet das Management 110 bis 130 Millionen Euro. Das wäre in jedem Fall weniger als die 140 Millionen Euro 2021. Abgesehen von den steigenden Kosten wirkt sich hier auch der Wegfall eines bedeutenden Großauftrags aus.

SGL liefert noch bis Mitte des laufenden Jahres Carbon für das Fahrzeugmodell i3 von BMW. Anschließend sollen die frei werdenden Kapazitäten von Kunden aus der Windkraftbranche übernommen werden, diese sind aber weniger margenstark.

Wegen des laufenden Konzernumbaus betrachtet SGL Carbon 2022 als "Stabilisierungsjahr". Im vergangenen Jahr knackte das Unternehmen dank anziehender Nachfrage in fast allen Marktsegmenten wieder die Umsatzmilliarde und steigerte das bereinigte operative Ergebnis mit einem Zuwachs von mehr als die Hälfte überproportional stark. Unter dem Strich blieben 75,4 Millionen Euro hängen.

Auf eine Dividende müssen die Aktionäre erneut verzichten. Die Dividendenfähigkeit sei nicht gegeben, heißt es im Geschäftsbericht. Erst wenn das Unternehmen weiter wachse und nachhaltig profitabler arbeite, werde die Zahlung möglich sein.

SGL Carbon hat schwierige Zeiten hinter sich. Strukturelle Veränderungen in wichtigen Branchen wie Automobil und Luftfahrt machten dem Konzern zu schaffen. Dazu wurden 2019 Planungsfehler bekannt, und das Unternehmen musste seine mittelfristigen Ambitionen begraben. Der damalige Chef nahm seinen Hut - nur kurze Zeit, nachdem er seinen Vertrag verlängert hatte.

2020 machte SGL Carbon die Corona-Pandemie schwer zu schaffen, das Unternehmen schrieb Verluste. Im Herbst 2020 kündigte der neue Chef Derr ein umfangreiches Sparprogramm an - unter anderem sollte jede zehnte Stelle gestrichen werden. Mit dem gesamten Programm werden Ergebnisverbesserungen von über 100 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2023 angepeilt.

Zum jetzigen Zeitpunkt wurden die angestrebten Ziele laut dem Konzern bereits mehr als erfüllt. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 120 Millionen Euro eingespart und 575 Stellen abgebaut.

An SGL Carbon sind die Autobauer BMW und VW sowie BMW-Großaktionärin Susanne Klatten über ihre Beteiligungsgesellschaft Skion beteiligt./lew/stw/jha/