Von Mike Bird

SEOUL/LONDON (Dow Jones)--Die südkoreanische Regierung erwägt, Unternehmen mit sprudelnden Pandemie-Gewinnen zu ermutigen, den Reichtum zu teilen. Auch wenn dies ein landesspezifischer Ansatz sein könnte, sollte auch Investoren, die weit von Korea entfernt sind, genau beobachten, was die dortige Mitte-Links-Regierung beschließt: Es könnte ein Vorbild auch für andere Länder werden.

In den zwölf Monaten bis 30. September verzeichneten 21 der 50 nach Marktkapitalisierung größten südkoreanischen Unternehmen ein Wachstum des Bruttogewinns von mehr als 20 Prozent, verglichen mit zehn Unternehmen im gleichen Zeitraum des Vorjahres, zeigen Daten von Capital IQ. Und das ist international nicht ungewöhnlich. Tech-Firmen wie jene, die in die Lieferketten für Elektronik eingebunden sind, und einige Biotechnologie- und Pharmafirmen boomten im Jahr 2020.


   Glück statt Geschick 

Die Befürworter einer Gewinnbeteiligung oder etwas Ähnlichem haben ein stärkeres Argument als die Befürworter einer hohen Unternehmensgewinnsteuer: Ein Großteil der Streuung zwischen den starken und schwachen Performern im vergangenen Jahr war eher auf Glück als auf unternehmerischen Einfallsreichtum oder kluges Management zurückzuführen.

Zu den südkoreanischen Unternehmen, die im vergangenen Jahr am besten abgeschnitten haben, gehört Seegene Inc mit einem Gewinnwachstum von mehr als 1.000 Prozent im dritten Quartal. Als Hersteller von Diagnostik-Kits hätte das Unternehmen sich unter diesen Umständen schwer getan, schlecht abzuschneiden. Am anderen Ende der Skala steht Korean Air Lines Co mit einem Gewinneinbruch. Für eine Passagierfluggesellschaft wäre ein solches Szenario nicht abzuwenden gewesen.


   Wie freiwillig wäre freiwillig? 

Im Moment wird über ein freiwilliges Programm diskutiert, bei dem große Unternehmen einen Beitrag leisten, um angeschlagenen kleineren Firmen zu helfen. Aber selbst solch ein freiwilliger Plan könnte mit einer Portion politischem und öffentlichem Druck kommen.

In anderen Ländern könnten die Pläne verpflichtend sein. Die Londoner Sunday Times berichtete vergangene Woche, dass die britische Regierung eine Steuer auf Gewinnüberschüsse von Firmen erwägt, die während der Pandemie am besten abgeschnitten haben.

In den USA scheint man noch nicht den gleichen Weg zu gehen, aber es gibt Präzedenzfälle. Der Staat dort hat während der beiden Weltkriege und des Koreakrieges Steuern auf Gewinnüberschüsse erhoben. 2008 schlug der damalige Präsident Barack Obama im Wahlkampf eine Gewinnsteuer für Ölkonzerne vor, aber die Idee wurde nach der globalen Finanzkrise verworfen.

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass das Konzept im aktuellen Klima wieder auftauchen könnte, besonders wenn andere Länder den Weg vorgeben. Die südkoreanische Regierung war in den vergangenen Jahren mit ihrem stark erhöhten Mindestlohn und den Bemühungen, den überhitzten Immobilienmarkt zu bremsen, ein Vorreiter für eine progressive Politik. Ihre Entscheidung über etwaige Gewinnbeteiligungsprogramme wäre es wert, im Auge behalten zu werden.

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February 12, 2021 06:27 ET (11:27 GMT)