Bern (awp) - Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat in den ersten neun Monaten ein massives Minus eingefahren. Vor allem Kursverluste auf Aktien und Zinspapieren waren verantwortlich für den Rekordverlust. Die Ausschüttungen an Bund und Kantone sind dadurch stark gefährdet.

Konkret weist die SNB für die Periode von Januar bis September 2022 einen Verlust von 142,4 Milliarden Franken aus. Nach einem Minus von 32,8 Milliarden im ersten und 62,4 Milliarden im zweiten Quartal kamen somit im dritten Jahresviertel nochmals 47,2 Milliarden dazu, wie die Nationalbank am Montag mitteilte.

Es handelt sich auch um den grössten Verlust der SNB in ihrer über 100-jährigen Geschichte. Ganz überraschend sind die Zahlen allerdings nicht - das Halbjahresminus war schon bekannt und mit einem weiteren hohen Verlust im dritten Quartal war angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten vor allem im September gerechnet worden.

Nicht nur die Aktienmärkte entwickelten sich von Januar bis September wegen des Ukrainekrieges, der stark gestiegenen Inflation und vermehrt auch Rezessionsängsten stark rückläufig. Die fast weltweit steigenden Zinsen führten auch zu hohen Bewertungsverlusten auf den Anleihenmärkten, dazu kam noch die Währungsentwicklung.

Auf den hohen Devisenreserven der SNB führen bekanntlich bereits kleinste Bewegungen zu hohen Gewinnen oder Verlusten. Zwar ist die Bilanz der SNB aufgrund der Kursverluste deutlich geringer geworden, sie ist mit Aktiven von knapp 900 Milliarden Franken aber noch immer sehr hoch.

Insgesamt erlitt die SNB in den ersten neun Monaten per Saldo einen Verlust auf den sogenannten Fremdwährungspositionen von 141,0 Milliarden. Der Betrag setzt sich zusammen aus Kursverlusten von 70,9 Milliarden auf Zinspapieren und -instrumenten (Anleihen etc.) und von 54,2 Milliarden auf Aktien und ähnlichen Papieren.

Die wechselkursbedingten Verluste beliefen sich derweil auf insgesamt 24,4 Milliarden Franken. Etwas verschönert wurde das Ergebnis durch Zins- und Dividendenerträge von zusammen 8,5 Milliarden Franken.

Auch Verlust auf Gold

Da der Goldpreis im dritten Quartal ebenfalls unter die Räder kam, erlitt die SNB auch auf dem seit Jahren mengenmässig unveränderten Goldbestand einen Bewertungsverlust. Dieser hielt sich mit 1,1 Milliarden allerdings in Grenzen. Kaum mehr relevant ist seit dem Ende der Negativzinsen das Ergebnis auf den Frankenpositionen: Die Notenbank erzielte darauf einen kleinen Verlust von 24,1 Millionen Franken.

Die SNB betonte zwar wie üblich, dass ihr Ergebnis überwiegend von der Entwicklung der Gold-, Devisen und Kapitalmärkte abhängig ist. Starke Schwankungen seien deshalb die Regel und Rückschlüsse vom Zwischenergebnis auf das Jahresergebnis nur bedingt möglich.

Was es für die Ausschüttungen der SNB an Bund und Kantone heisst, zeichnet sich aber immer mehr ab. Zwar sind diese allein abhängig vom Jahresergebnis bzw. einem Bilanzgewinn per Ende Jahr. Doch klar ist: Sollte es nicht noch zu einer dramatischen Wende an den Finanzmärkten in den letzten zwei Monaten des Jahres kommen, ist die übliche Gewinnausschüttung an Bund und Kantone akut gefährdet.

Reserven aufgebraucht

Zwar beläuft sich die für die Zahlungen relevante Ausschüttungsreserve nach dem Jahresergebnis 2021 auf hohe 102 Milliarden Franken. Da die SNB gemäss Schätzungen der UBS auch dieses Jahr zusätzliche Rückstellungen von gegen 10 Milliarden tätigen dürfte, müsste die SNB aber bereits bei einem Jahresverlust von etwa 93 Milliarden Franken auf Ausschüttungen an Bund und Kantone verzichten.

Die Ausschüttungen erfolgen aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bund und Nationalbank von Anfang 2021. Demnach besteht die Gewinnausschüttung aus einem Grundbetrag von 2 Milliarden Franken, der ausgeschüttet wird, sofern ein Bilanzgewinn von mindestens 2 Milliarden Franken vorhanden ist.

Hinzu kommen vier mögliche Zusatzausschüttungen von je 1 Milliarde Franken, wenn der Bilanzgewinn 10, 20, 30 oder 40 Milliarden Franken erreicht. Letztes Jahr gab es eine Gewinnausschüttung von 6 Milliarden Franken, die zu einem Drittel an den Bund und zu zwei Dritteln an die Kantone ging.

uh/rw