Referat

Sperrfrist

29. November 2022,

16.00 Uhr

Beliebt, aber unter Druck: Bargeld im digitalen Zeitalter

Forum für Finanzmarktstabilität, FMA Liechtenstein

Martin Schlegel

Vizepräsident des Direktoriums Schweizerische Nationalbank Vaduz, 29. November 2022

© Schweizerische Nationalbank

  • Der Referent dankt Toni Beutler für die Unterstützung in der Vorbereitung dieses Referats. Sein Dank geht auch an Claudia Aebersold, Raphael Reinke, Silvio Schumacher, Reto Steiner, Jacqueline Thomet sowie an die Sprachendienste der SNB.

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Meine sehr geehrten Damen und Herren

Ich möchte mich zunächst herzlich für die Möglichkeit bedanken, anlässlich der Präsentation Ihres Finanzstabilitätsberichts zu Ihnen sprechen zu dürfen. Auch die Schweizerische Nationalbank veröffentlicht jährlich einen solchen Bericht - er ist das Kernelement unserer makroprudenziellen Kommunikation. In der anschliessenden Paneldiskussion kann ich noch näher auf Finanzstabilitätsfragen eingehen.

Meine heutigen Bemerkungen widme ich einem anderen «Produkt» der Nationalbank, welches Liechtenstein und die Schweiz eng miteinander verbindet: dem Bargeld. Seit bald 100 Jahren gilt der Schweizer Franken auch in Liechtenstein als offizielle Landeswährung, und somit als gesetzliches Zahlungsmittel. Aufgrund seiner Stabilität und seiner breiten Akzeptanz im Gewerbe ersetzte der Franken 1924 die bis dahin verwendete österreichische Krone.

In der jüngeren Vergangenheit haben sich die Zahlungsgewohnheiten stark verändert. Die Digitalisierung schreitet auch im Zahlungsverkehr zügig voran. Bargeld hat starke Konkurrenten bekommen und wird deshalb weniger häufig für Zahlungen benutzt.

Bargeld bleibt aber wichtig und beliebt. Im Folgenden möchte ich erläutern, weshalb dies so ist, und warum Bargeld weiterhin breit akzeptiert und einfach zugänglich bleibt. Dieses gut funktionierende System «Bargeld» ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Die rückläufige Nutzung setzt Bargeld unter Druck. Ich werde Ihnen darlegen, dass wir der Infrastruktur Sorge tragen müssen, damit die Wahlfreiheit beim Zahlen auch in Zukunft gegeben ist.

Bargeld hat beliebte Eigenschaften

Meine Damen und Herren, Bargeld löst Emotionen aus - das ist mir in den letzten Jahren immer wieder bewusst geworden.

Besonders auffallend war dies bei der Emission der aktuellen, neunten Banknotenserie. Als wir 2016 die neue 50er-Note emittierten, bildeten sich vor unseren Hauptgebäuden Schlangen von Bargeld-Fans. Sie wollten die neuen Noten so rasch wie möglich in den Händen halten. Das Interesse der Öffentlichkeit blieb auch bei den weiteren Stückelungen hoch.

Die Aufmerksamkeit des Publikums galt neben dem Design auch den neuen Merkmalen, welche die Noten zu einem High-Tech-Produkt machen. Sie sind nicht bloss Papier mit mehrfarbigem Druck. Die Noten bestehen aus drei Schichten. Es gibt sichtbare Sicherheitsmerkmale, wie den Sicherheitsstreifen und den schimmernden Globus. Es gibt auch versteckte Merkmale, die erst unter UV-Licht oder Infrarotlicht sichtbar werden.1

Bargeld ist beliebt. Das zeigt sich nebst dem Interesse an den Noten vor allem an deren Nutzung. Gemäss unserer letzten Zahlungsmittelumfrage werden etwas weniger als die Hälfte

1 SieheSchweizerische Nationalbank (SNB) - Neue Banknoten für die Schweiz(abgerufen am 24.11.2022).

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der alltäglichen Zahlungen in bar getätigt. Damit ist Bargeld bis anhin das am häufigsten eingesetzte Zahlungsmittel (siehe Folie 1).

Für die Beliebtheit von Bargeld als Zahlungsmittel gibt es gute Gründe. Denn gegenüber bargeldlosen Zahlungsmitteln, wie Debitkarten oder Bezahl-Apps, bietet Bargeld trotz einigen Nachteilen wichtige Vorteile. Ich möchte hier drei Aspekte hervorheben:

Erstens erlaubt Bargeld einen einfachen und verständlichen Umgang mit Geld. Mit Münzen und Noten hat man seine Ausgaben sprichwörtlich «im Griff». Man sieht beim Zücken des Portemonnaies direkt, ob weitere Ausgaben im Budget liegen. Nicht umsonst geben Eltern ihren Kindern oft das Taschengeld in bar. Beim Hinhalten einer Plastikkarte an das Zahlterminal sieht man hingegen nur, was einem in einiger Zeit vom Konto abgebucht wird.

Zweitens ermöglicht das Bargeld dank seiner einfachen Verwendung allen die Teilnahme am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Das Bezahlen mit Münzen und Banknoten erfordert weder Konto noch Mobiltelefon, noch digitale Affinität.

Drittens bedingt Bargeld keine Weitergabe von persönlichen Daten. Bei einer Zahlung mit Banknoten, sind Angaben wie Name oder Kartennummer nicht nötig. Bei elektronischen Zahlungen werden hingegen von vielen Akteuren Informationen über die Zahlenden und das Zahlungsverhalten erfasst.

Darüber hinaus bietet die Verwendung von Bargeld als Zahlungsmittel weitere wichtige Vorteile für die Bevölkerung. Es benötigt nur wenige technische Voraussetzungen am Verkaufspunkt. Dadurch ist es besonders krisenfest. Mit Banknoten kann auch dann bezahlt werden, wenn das Kartenterminal ausfällt, das Mobiltelefon keinen Empfang hat oder der Strom fehlt. Bargeld bietet damit ein wichtiges «Backup», wenn es zu lokalen oder gar flächendeckenden Störungen bei Zahlungen mit Karten oder Apps kommt. Zudem bietet Bargeld Geschäften und Konsumierenden eine im Einzelfall kostengünstige Alternative zu bargeldlosen Zahlungsmitteln. Damit trägt es zum Wettbewerb bei und hilft, dass die Gebühren nicht in den Himmel wachsen.2

Bargeld bietet also eine Kombination von Eigenschaften, die andere Zahlungsmittel nicht aufweisen und es schafft nach wie vor einen grossen Mehrwert. Damit das so ist, müssen die Nutzerinnen und Nutzer Bargeld aber einfach beziehen können, und es muss beim Einkaufen auch breit akzeptiert werden. Zugang und Akzeptanz erscheinen dabei oft als selbstverständlich. Tatsächlich steckt aber einiges dahinter. Lassen Sie uns deshalb zunächst kurz gemeinsam hinter die Kulissen der Bargeldversorgung blicken.

Hinter den Kulissen: Die Bargeldinfrastruktur

Sie haben vielleicht eine schöne, rote 20er-Note im Portemonnaie. Falls ja, ist es eine der rund 100 Millionen Stück, die wir derzeit im Umlauf haben. Die 20er-Note ist hinter der 100er-

2 Zudem ist Bargeld für die breite Bevölkerung das einzige gesetzliche Zahlungsmittel und die einzige Form von Zentralbankgeld - also Geld ohne Schuldnerrisiko.

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Note die zweithäufigste Stückelung im Umlauf.3 Doch wie gelangt eine solche 20er-Note überhaupt in Umlauf und in Ihr Portemonnaie?

Dafür besteht eine umfangreiche, zweistufige Infrastruktur (siehe Folie 2). Nach dem Druck gehen die Noten zuerst in die Qualitätskontrolle und werden dort auf Herz und Nieren geprüft. Die Reise der 20er-Note beginnt dann bei der Nationalbank, die als Grossistin agiert. Das heisst, sie gibt die Noten - in Bündeln von einhundert Stück - an spezialisierte Unternehmen aus und belastet deren Konto bei der Nationalbank. Diese sogenannten «Bargeldverarbeiter» transportieren Banknoten an Banken, die Post und andere Unternehmen wie zum Beispiel grössere Detailhändler.

Danach kommt die Feinverteilung. Nachdem Ihre Bank die Bündel an 20er-Noten vom Bargeldverarbeiter erhalten hat, verteilt sie die Noten an ihre Standorte und an ihre Geldautomaten. Und dort liegen sie für Sie zur Abholung bereit.

Diese Aufgabenteilung zwischen Nationalbank, Bargeldverarbeitern und Banken hat sich bewährt: Wir haben in der Schweiz und Liechtenstein eine effiziente und verlässliche Infrastruktur, die für eine einfache und breite Verfügbarkeit von Bargeld sorgt.

Konkret stehen aktuell rund 6500 Geldautomaten in der Schweiz zur Verfügung, also etwa ein Automat pro 1300 Einwohnerinnen und Einwohner. Liechtenstein ist etwas besser bedient: Dort teilen sich rund 1000 Menschen einen Bankomaten. Damit liegen die Schweiz und Liechtenstein im oberen Mittelfeld der europäischen Länder. Der Weg zum nächsten Geldautomat ist für die Bevölkerung auch nicht sehr weit - im Durchschnitt beträgt er etwa einen Kilometer.4

Gemäss unserer jüngsten Umfrage ist die Bevölkerung mit dieser Abdeckung an Bargeldbezugsstellen zufrieden. Eine grosse Mehrheit (92%) ist der Ansicht, dass es genügend Optionen gibt, um Bargeld zu beziehen.5

Hohe Bargeldakzeptanz

Lassen Sie uns die 20er-Note etwas weiter auf ihrer Reise begleiten. Denn jetzt wird es noch einmal spannend. Sie wollen Ihre Note zum Einkaufen verwenden. Damit dies möglich ist, muss das Geschäft, in dem Sie einkaufen, Bargeld als Zahlungsmittel akzeptieren.

Dies ist heute fast überall der Fall. Bargeld geniesst gemäss unseren Umfragen nach wie vor eine hohe Akzeptanz. Schilder mit «No Cash» waren vor allem während der intensiven Phase der Corona-Pandemie verbreitet, heute sind sie wieder selten zu sehen. Normalerweise können Sie die 20er-Note also dort ausgeben, wo Sie gerne möchten.

  1. SieheSchweizerische Nationalbank (SNB) - Der Notenumlauf(abgerufen am 24.11.2022).
  2. Siehe Trütsch, T. (2022): Swiss Money Map 2022: A spatial analysis of cash access points in Switzerland, University of St. Gallen.
  3. SieheBericht zur Zahlungsmittelumfrage 2020, S. 10.

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Mehr noch: Wenn Sie mit Bargeld bezahlen wollen, bewegt dies das Geschäft dazu, es auch zu akzeptieren. Dies ist das Ergebnis unserer Unternehmensumfrage zu Zahlungsmitteln.6 Der dort von Unternehmen angegebene massgebliche Faktor für die Akzeptanz von Zahlungsmitteln ist das Bedürfnis der Kundschaft. Der Kunde ist also immer noch König.

Verschiebung von Bargeld zu elektronischen Zahlungsmitteln

Sie nutzen neben Bargeld für Ihre Zahlungen im Alltag sicherlich auch andere Zahlungsmittel wie Debitkarten, Kreditkarten oder Bezahl-Apps und verwenden je nach Situation das Passende. Dabei setzen Sie solche Zahlungsmittel heute wahrscheinlich häufiger ein als noch vor ein paar Jahren. Damit wären sie nicht alleine. Denn in den letzten Jahren kam es zu markanten Verschiebungen bei der Verwendung von Zahlungsmitteln (siehe Folie 1). So hat Bargeld gemäss unseren Umfragen von 2017 bis 2020 deutlich an Nutzungsanteilen eingebüsst. Wurden im Jahr 2017 noch rund 70% der Transaktionen mit Bargeld beglichen, waren es 2020 nur noch 43%.

Allen voran ist die Debitkarte vermehrt als Zahlungsmittel zum Einsatz gekommen. Anders als bei der Anzahl der Transaktionen hat sie gemessen am Wert der Transaktionen 2020 das Bargeld an der Spitze abgelöst. Aber auch andere bargeldlose Zahlungsmittel wie zum Beispiel die Bezahl-Apps haben innert kurzer Zeit an Bedeutung gewonnen. Diese bargeldlosen Zahlungsmittel haben sich durchgesetzt, weil die befragten Personen sie insbesondere als benutzerfreundlicher und schneller in der Verwendung als Bargeld bewerten.

Der Abwärtstrend bei der Bargeldnutzung dürfte sich weiter fortsetzen. Erstens werden sich bargeldlose Zahlungsmittel noch weiter verbessern, was deren Nutzung noch weiter fördern könnte. Zweitens ist die Bargeldaffinität der jüngeren Generation geringer. Gemäss unserer Umfrage haben Jugendliche und junge Erwachsene im Jahr 2020 nur etwa jede dritte Zahlung mit Bargeld getätigt (siehe Folie 1). Diese Altersgruppe nutzt Bezahlkarten und Apps somit weitaus öfter als der Durchschnitt.

Die Erwartung eines weiteren Rückgangs wird auch in unseren Umfragen bestätigt: Insgesamt geht die Mehrheit der Bevölkerung davon aus, dass sie in ein paar Jahren seltener mit Bargeld bezahlen wird als heute.

Bargeldinfrastruktur unter Druck

Wie steht die Nationalbank diesem Wandel gegenüber?

Die Nationalbank hat keine Präferenz, ob Sie mit Bargeld oder bargeldlos bezahlen. Sie sollten die freie Wahl haben. Die gesetzliche Aufgabe der Nationalbank umfasst sowohl die Gewährleistung der Bargeldversorgung als auch die Erleichterung und Sicherung des Funktionierens bargeldloser Zahlungssysteme. Mit der Erfüllung beider Aufgaben schafft die

6 SieheBericht zur Umfrage zu Zahlungsmitteln bei Schweizer Unternehmen 2021.

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SNB - Swiss National Bank published this content on 29 November 2022 and is solely responsible for the information contained therein. Distributed by Public, unedited and unaltered, on 29 November 2022 15:10:29 UTC.