GÖTTINGEN (dpa-AFX) - Im Frühjahr 2020 herrschte beim Pharma- und Laborausrüster Sartorius noch Unsicherheit wegen des Coronavirus. Knapp ein Jahr später zeigt sich: Die Göttinger haben merklich von der Pandemie profitiert und können sogar noch optimistischer in die Zukunft blicken. Das zahlt sich auch an der Börse aus. Die MDax-Gesellschaft hat inzwischen Aussicht auf den Aufstieg in den Dax. Zur Lage des Unternehmens, was die Analysten sagen und was die Aktie macht.

ZUR LAGE DES UNTERNEHMENS:

Sartorius war in den vergangenen Jahren nicht zu bremsen. Umsatz und Gewinn haben sich unter der Ägide des langjährigen Konzernlenkers Joachim Kreuzburg vervielfacht, die Zahl der Mitarbeiter und neu hinzugekaufter Unternehmen wächst.

Auch die Corona-Pandemie konnte Sartorius nichts anhaben. Im Frühjahr 2020 hatte dies zunächst noch anders ausgesehen: Der Lockdown in China und die sinkende Nachfrage aus der Volksrepublik machten sich in der Laborsparte der Göttinger negativ bemerkbar. Wegen der Unsicherheit rund um die Pandemie strich der Konzern seine Dividende kräftig zusammen.

Doch gerade in der Pandemie zahlte sich Kreuzburgs Strategie der vergangenen Jahre aus, die Biotechnologie-Sparte (Bioprocess Solutions, BPS) weiter zu stärken. In ihr sieht der Manager die Zukunft seines Unternehmens, und er wird bereits von der Gegenwart in seiner Einschätzung bestätigt. Denn bei der Suche nach wirksamen Medikamenten setzt die Wissenschaft zunehmend auf die Biotechnologie. Das gilt auch für die Forschung an einem Wirk- und Impfstoff gegen Sars-Cov-2, die mit der weltweiten Ausbreitung des Virus schnell hochgefahren wurde.

Damit wurde auch Sartorius' Geschäftsbereich BPS ein gefragter Anbieter für die Pharmabranche. Die Sparte bietet unter anderem begehrte Einweg-Materialien wie Bioreaktoren und Membranbeutel, aber auch Filtersysteme sowie Nähr- und Pufferlösungen für Zellkulturen an. Die Pandemie bescherte Sartorius 2020 einen Auftragsboom, konzernweit gingen die Bestellungen um gut die Hälfte nach oben. Und auch in der Laborsparte, die Waagen, Pipetten und Verbrauchsmaterialien für Labore verkauft, sprang das Geschäft ab der zweiten Jahreshälfte kräftig an.

Die anfängliche Vorsicht im Vorstand wich daher im Jahresverlauf einem zunehmenden Optimismus. Mehrfach schraubte das Management seine Ziele für 2020 nach oben. Kürzlich präsentierte Sartorius seine vorläufigen Zahlen für das vergangene Jahr: Der Umsatz stieg um rund 30 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro, der bereinigte Gewinn kletterte um mehr als 40 Prozent auf knapp 300 Millionen Euro nach oben. Die endgültigen Kennziffern gibt Kreuzburg am 18. Februar zur Bilanzpressekonferenz bekannt, die wegen der Pandemie nur online abgehalten wird.

Auch Übernahmen trugen im vergangenen Jahr erheblich zu dem Wachstumsschub bei. Dabei hatte Sartorius trotz Pandemie seine rege Einkaufstätigkeit nicht gestoppt. Das Management rechnet auch wegen der neu hinzugekommenen Geschäftsteile in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von bis zu 25 Prozent. Gleichzeitig erhöhte Sartorius seine Mittelfristziele bis 2025. Für das vergangene Jahr will das Unternehmen für jede der im MDax notierten Vorzugsaktien 71 Cent auszahlen, je Stammaktie sollen 70 Cent fließen.

Damit wird die Dividende für 2020 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Sartorius hatte für 2019 ursprünglich die gleichen Summen vorgesehen, letztlich die Ausschüttung wegen der Corona-Krise aber nahezu halbiert. Wegen der Rally der vergangenen Jahr sei Dividendenrendite lächerlich wenig, merkte ein Aktienhändler an. Doch es ist zweifelsohne nicht die Dividende, die die Aktie seit Jahren zum Anleger-Liebling macht, sondern der anhaltend gute Lauf des Unternehmens.

Lagen die Erlöse vor fünf Jahren noch bei rund 1,1 Milliarden Euro, hat sich der Wert bis 2020 auf 2,3 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Für die nächste Fünfjahres-Periode hat sich Unternehmenschef Kreuzburg noch einen größeren Sprung vorgenommen: 2025 peilt er inzwischen die Marke von rund fünf Milliarden Euro Umsatz an.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Von den 16 von Bloomberg erfassten Experten sprechen sich zwei für den Verkauf der Papiere aus. Fünf Analysten votieren für Halten und neun für einen Kauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 475 Euro - und somit unter dem aktuellen Kurs. Dabei reicht die Spanne von 320 Euro (Hauck & Aufhäuser) bis zu 520 (Metzler). Die Geister der Analysten scheiden sich vor allem bei der Frage, ob der hohe Kurs gerechtfertigt ist.

Ein Ja kommt von Analyst Markus Gola vom Analysehaus Stifel Europe. Er zählt unter den Sartorius-Beobachtern zu den größten Optimisten. Gola hob sein Kursziel erst kürzlich von 430 auf 515 Euro an und löst damit an der Börse ein Rekordhoch der Aktie aus. Der Experte begründete seinen Optimismus mit den Wachstumsaussichten der Biotech-Sparte.

Gola geht davon aus, dass der Bereich im ersten Halbjahr wegen der Suche nach einem Corona-Vakzin noch einen deutlichen Schub erhält, denn die Nachfrage nach Verbrauchsmaterialien steige. Sartorius biete hier ein breites und marktführendes Portfolio einschließlich überragender Lieferzeiten. Er hält es daher für möglich, dass Sartorius im Laufe des ersten sechs Monate die Prognosen für die Sparte noch anhebt.

Weit weniger angetan sind die Experten der schweizerischen Großbank UBS: Sie rufen mit 324 Euro eines der niedrigsten Kursziele aus und haben erst kürzlich ihre Verkaufsempfehlung bestätigt. Die Produktion des Corona-Impfstoffs sei zwar durchaus ein Argument für die Papiere des Laborausrüsters, schrieb Analyst Michael Leuchten. Er stellt aber die Bewertung mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 80 in Frage.

Die hohe Bewertung bereitet anderen Experten ebenfalls Sorgen: Auch Sven Kürten von der DZ Bank hält das Papier für zu teuer. Der neue Mittelfristausblick des Unternehmens habe aber über seinen Erwartungen gelegen, schrieb der Experte - und hob deshalb seine eigenen Annahmen an und den fairen Wert der Aktie auf knapp 341 Euro an. Mit Blick auf den hohen Kurs bleibt die Empfehlung bei Verkaufen.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Sartorius gehört seit Jahren zu den Favoriten am Aktienmarkt. Das hat sich durch die Corona-Krise nicht geändert - im Gegenteil. Der Höhenflug der im MDax notierten Vorzugsaktie und mit ihr die kaum gehandelten Stammaktien im Gefolge hat sich in den vergangenen Monaten und Wochen beschleunigt - die Kurse kletterten von einem Rekord zum nächsten. Am Montag kostete die Vorzugsaktie zeitweise 492,20 Euro und damit so viel wie noch nie.

Damit summiert sich das Plus alleine in den ersten Wochen des laufenden Jahres auf etwas mehr als 40 Prozent, nachdem der Kurs im Corona-Jahr 2020 rund 80 Prozent zugelegt hatte. Auch mittel- und langfristig liegt Sartorius am Kapitalmarkt weit vorn. In den vergangenen fünf Jahren betrug der Kurszuwachs rund 800 Prozent. Wer noch früher eingestiegen ist, hat ein noch größeres Plus im Depot. 2012 stiegen der Kurs erstmals über die Marke von 10 Euro.

Das Unternehmen ist seit 1990 an der Börse gelistet, und sein Aktienkapital ist zu gleichen Teilen in Stamm- und Vorzugsaktien aufgeteilt. Von den etwas mehr als 34 Millionen Stammaktien gehören 55 Prozent einer Erbengemeinschaft und rund 38 Prozent dem US-Unternehmen Bio-Rad Laboratories. Nur sieben Prozent sind im Streubesitz.

Ganz anders sieht es bei den Vorzugsaktien aus: Hier werden 72 Prozent im Streubesitz gehandelt, der Rest liegt seit kurzem bei Bio-Rad Laboratories. Insgesamt wird das Unternehmen an der Börse derzeit inzwischen mit mehr als 30 Milliarden Euro bewertet. Allein das Aktienpaket der Erbengemeinschaft kommt dabei auf knapp neun Milliarden Euro.

Das Unternehmen war 1870 als feinmechanische Werkstatt für Analysewaagen gegründet worden. Heute ist es nach Airbus und Siemens Healthineers der schwerste Titel im MDax und bringt derzeit mehr auf die Börsenwaage als zahlreiche Dax-Konzerne. Das Göttinger Unternehmen zählt damit zu den Kandidaten für den Dax-Aufstieg, wenn der deutsche Leitindex im Herbst von 30 auf 40 Mitglieder aufgestockt wird.

Für einen möglichen Dax-Aufstieg ist allerdings nur der Börsenwert des Streubesitzes bei der Vorzugsaktie entscheidend. Da der US-Konzern Bio-Rad, der nach Angaben des Unternehmens bis vor kurzem nur Stammaktien gehalten hatte, inzwischen auch 28 Prozent der Vorzugsaktien besitzt, ist dieser auf 72 Prozent gesunken. Die Marktkapitalisierung der frei handelbaren Vorzugspapiere liegt derzeit bei zwölf Milliarden Euro. Entscheidend für eine Aufnahme in den Dax wird der Börsenwert im Spätsommer sein./tav/zb/stw