WALLDORF (dpa-AFX) - Europas größter Softwarehersteller SAP hat die Umsätze aus den Laufzeitverträgen in der Cloud plötzlich nötiger als gedacht: Während das Geschäft mit lukrativen Lizenzen einbricht, spielen die Software-Abos dem Konzern nun sogar stärker in die Karten als erhofft. Vorstandschef Christian Klein kann anscheinend auch in der Coronavirus-Pandemie auf ein wetterfestes Geschäftsmodell bauen. Was das Unternehmen zum detaillierten Zwischenbericht am Montag (27. Juli) umtreibt, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft.

DAS IST LOS BEI SAP:

Im April musste SAP die eigenen Prognosen stutzen - das kennen Aktionäre der Walldorfer eigentlich nicht. Doch das erste Quartal ist bei SAP ohnehin das saisonal schwächste. Und schon mit den Eckdaten des zweiten Quartals erwiesen sich die Geschäfte als widerstandsfähiger, auch wenn die gewohnten Zuwachsraten noch nicht wieder erreicht werden konnten.

Zwar bremsten die transaktionsabhängigen Erlöse bei den Cloudangeboten Ariba, Fieldglass und Concur noch, weil die Wirtschaft angesichts der Beschränkungen rund um die Welt lahmte. Dennoch legten die Cloudumsätze insgesamt um rund ein Fünftel zu. Auch der Auftragsbestand in der Sparte ist um rund ein Fünftel gestiegen. Die Nachfrage nach digitalen Logistikketten, E-Commerce, der Cloudplattform und nach Lösungen der Marktforschungstochter Qualtrics sei weiterhin hoch.

Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern kletterte gegenüber dem Vorjahreszeitraum um acht Prozent auf 1,96 Milliarden Euro. Die operative Marge konnte ebenfalls klar um 1,8 Prozentpunkte auf 29,1 Prozent zulegen, weil der Umsatz nicht ganz so stark wie das Ergebnis um 2 Prozent auf 6,74 Milliarden Euro wuchs und SAP auf die Kostenbremse trat.

Weil die stetiger fließenden Erlöse aus der Cloud und der Softwarewartung weiter wuchsen und die Lizenzerlöse einen erneuten Dämpfer erhielten, erhöhte sich der Anteil der wiederkehrenden Umsätze am Gesamtumsatz um 5 Prozentpunkte auf rund 73 Prozent. Der Umbau hin zu den besser planbaren Umsätzen zahlt sich damit in der Krise aus - sie sind quasi eine Versicherung gegen die stark konjunkturanfälligen IT-Ausgabenentscheidungen der Unternehmen.

Das kommt Vorstandschef Klein gelegen. Denn er hat viel vor sich, insbesondere seit die ehemalige Co-Chefin Jennifer Morgan nach nur sechs Monaten an der Spitze wieder gehen musste und er die Verantwortung alleine trägt. Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat dem jungen Eigengewächs aufgegeben, die milliardenschweren und oft eigenwilligen US-Cloudzukäufe zu zähmen und auf Linie zu bringen. Der fast zehn Jahre amtierende Vorgänger Bill McDermott hatte das um des schieren Wachstums willen schleifen lassen. Im Konzern drohte der mittlerweile fast schon traditionelle Zwiespalt zwischen den badischen Programmier-Nerds und den forschen US-Amerikanern zur Zerreißprobe zu werden.

Die Kunden quengelten, die zusammengekauften Programme passten nicht so richtig zueinander. Kleins Hauptaufgabe ist es, die Software auf eine gemeinsame Basis zu stellen und sie stärker zu verzahnen - und sei es nur, damit SAP das immer vollmundig angepriesene Rundum-Sorglos-Paket bei den Kunden auch in Gänze verkaufen kann.

Und auch sonst ist nicht alles easy in Walldorf: Anfang Mai musste SAP einräumen, dass nicht alle vertraglich versprochenen Sicherheitsstandards bei Cloudprodukten tatsächlich wie angepriesen funktionierten. Bis Ende des zweiten Quartals sollten die Probleme weitgehend behoben werden, Details dazu stehen aber bislang noch aus. Betroffen war knapp ein Zehntel der damals 440 000 Kunden.

WAS DIE ANALYSTEN SAGEN:

SAP ist für die meisten Analysten derzeit eine sichere Bank. Von den 22 im dpa-AFX-Analyser erfassten Expertinnen und Experten sprechen sich 19 für den Kauf der Aktie aus. Drei sind für Halten, niemand rät zum Verkauf. Das Kursziel liegt mit gut 132 Euro allerdings unter dem aktuellen Kursniveau.

Schon schielen die Experten wieder auf mehr Geschäft als vom Unternehmen zuletzt in Aussicht gestellt. Angesichts der positiven Eckdaten für das zweite Quartal mache der Ausblick des Softwarekonzerns auf das laufende Jahr einen konservativen Eindruck, schrieb Analyst Mohammed Moawalla von Goldman Sachs.

Die Zahlen seien besser als befürchtet gewesen, schrieb Barclays-Analyst James Goodman. Der Rückgang bei den Software-Lizenzen sei weniger stark ausgeprägt gewesen als angenommen. Die Cloud-Aktivitäten seien dagegen etwas hinter der Konsensschätzung zurückgeblieben. Unter den von ihm bewerteten Titeln sei die SAP-Aktie die werthaltigste.

Die Talsohle sei durchschritten, schrieb Andreas Wolf von Warburg Research. In der Phase des stärksten Lockdowns in der Corona-Krise habe sich das Unternehmen als widerstandsfähig erwiesen, meinte JPMorgan-Expertin Stacy Pollard.

SO LIEF DIE AKTIE ZULETZT:

Auch den erfolgsverwöhnten SAP-Anlegern war im Februar und im März der Schreck in die Glieder gefahren. Der Kurs des wertvollsten deutschen Börsenkonzerns stürzte im Corona-Tief bis auf 82 Euro ab, vor dem Crash war das Papier fast 130 Euro wert gewesen. Mittlerweile haben sich die Wogen an den Märkten aber spürbar geglättet - und zuletzt übersprang der Kurs im Sog der Tech-Rally an den US-Börsen sogar erstmals die 140 Euro.

Aktuell ist SAP bei einem Kurs von rund 136 Euro insgesamt an der Börse 170 Milliarden Euro wert. Das ist viel mehr als die Linde plc mit 111 Milliarden Euro und fast soviel wie Siemens und die Allianz auf Platz Drei und Vier zusammen.

Ex-Chef McDermott hatte einst angekündigt, die Marktkapitalisierung des Unternehmens bis 2023 auf rund 300 Milliarden Dollar (derzeit rund 260 Mrd Euro) steigern zu wollen - ohne weiter zuzukaufen. Das sei eine angemessene Bewertung. Der US-Rivale und Cloudmarktführer Salesforce wird aktuell mit 170 Milliarden Dollar (147 Mrd Euro) taxiert - bei niedrigeren Erlösen und einem geringeren operativen Gewinn liegt die Bewertung damit aber noch deutlich über der von SAP.

Profiteure des Kursbooms sind vor allem auch die Mitgründer von SAP, Aufsichtsratschef Plattner und der als Biotech-Investor und Fußball-Mäzen bekannte Dietmar Hopp. Plattner hält knapp sechs Prozent der Anteile und Hopp rund fünf Prozent. Beide zählen wegen des Erfolgs des 1972 gegründeten Unternehmens zu den reichsten Deutschen. Plattner kommt einer Aufstellung der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge auf ein Vermögen von insgesamt knapp 15 Milliarden Euro und Hopp auf rund zehn Milliarden Euro./men/zb/mis