Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz setzt darauf, dass Deutschland bei möglichen neuen Handelsstreitigkeiten mit den USA nicht alleine dasteht, sondern die Unterstützung der EU hat.
Zölle seien derzeit ein Lieblingswort in den USA, sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Berlin. "In diesem Fall ist es sehr gut, dass wir nicht alleine handeln, sondern als Europäische Union gemeinsam in dieser Frage agieren können und müssen." Die EU sei ein einflussreicher Gesprächspartner, sagte er in Anspielung auf die Sorgen, dass der künftige US-Präsident Donald Trump Strafzölle auf europäische Produkte verhängen könnte. Scholz betonte aber, dass es Probleme mit US-Zöllen mit allen US-Administrationen gegeben habe.
Seit Jahren holten die Vereinigten Staaten Industrieproduktion mit großen Förderprogrammen zurück ins eigene Land und schotteten gleichzeitig den heimischen Markt mit hohen Einfuhrzöllen ab, sagte Scholz. "Für Stahlimporte aus der EU gelten derzeit begrenzte zollfreie Kontingente. Aber die kommen im Laufe des kommenden Jahres erneut auf die Tagesordnung", fügte er hinzu. "Wir unterstützen die EU-Kommission deshalb in ihren Gesprächen über die Abschaffung der Section-232-Zölle der USA und würden die Fortführung der Verhandlungen eines 'Global Arrangement on Sustainable Steel and Aluminium' begrüßen." Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Gunnar Groebler, forderte, dass die 2026 auslaufenden Absicherungen der EU erneuert werden müssten. "Der Außenhandelsschutz muss auch nach 2026 Priorität haben." Der Kanzler hatte die EU-Kommission zuletzt aufgefordert, statt Strafzöllen gegen importierte E-Autos aus China lieber die chinesische Stahlindustrie ins Visier zu nehmen.
Der Kanzler sicherte der Stahlbranche weitere Unterstützung zu. Eine eigene Grundstoffindustrie sei für das Industrieland Deutschland unverzichtbar, sagte Scholz. Darunter nehme Stahl eine herausragende Rolle ein. "Kurz gesagt: Stahl ist system- und sicherheitsrelevant", sagte er und verwies etwa auf die Verteidigungsindustrie. "Es wird keine stahlfreie Welt geben."
Die Bundesregierung unterstütze aber auch den klimafreundlichen Umbau der Stahlindustrie mit Milliarden Euro. "Diese Zusage gilt. Im Gegenzug erwarten wir, dass sich auch die Unternehmen klar zum Standort Deutschland bekennen, dass sie ihre Dekarbonisierungsprojekte zügig vorantreiben und Arbeitsplätze hier bei uns erhalten", mahnte der Kanzler. Scholz betonte erneut, dass die Stromnetzentgelte abgesenkt werden müssten. Dies solle ein Teil seines angestrebten "Pakts für Industrie" werden, weil die Firmen hier Verlässlichkeit bräuchten. Es ist allerdings sehr unsicher, ob Scholz seine Forderung nach einem Bundeszuschuss zur Deckelung der Netzentgelte noch bis zur Bundestagswahl umsetzen kann.
Mit dem "Klimaclub" bemühe sich die Bundesregierung zudem, klimafreundliche Produktion abzusichern. "Wir arbeiten deshalb an einem gemeinsamen Standard für grünen Stahl und am Schutz gegen Carbon Leakage - also dem Abwandern von Produktion in Länder mit niedrigeren Umweltstandards." Scholz mahnte angesichts der Diskussion um Strafzölle, dass man die Regeln der WTO nicht aufs Spiel setzen dürfe und "die geopolitische Großwetterlage" im Blick behalten müsse. "Aber wir lassen nichts unversucht, um einen besseren Schutz unserer Stahlindustrie vor unfairem Wettbewerb zu erreichen."
(Bericht von Andreas Rinke; redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)