(Dopplung im neunten Absatz entfernt)

KERPEN (dpa-AFX) - Mit einem massiven Polizeiaufgebot haben die Behörden im Braunkohlerevier Hambacher Forst damit begonnen, die Baumhäuser der Umweltaktivisten zu räumen. Für den jahrelangen Protest der Braunkohlegegner ist das eine Zäsur. Denn die in den vergangenen Jahren errichteten Baumhäuser sind längst ein Symbol des Widerstands gegen die Braunkohle geworden. Aktivisten kündigten als Reaktion auf den Polizeieinsatz "zivilen Ungehorsam" und eine "bundesweite Massenmobilisierung" an. Die Polizei stellt sich auf einen tagelangen und schwierigen Einsatz vor. Nach und nach müssen die Kräfte des Höheninterventionsteam die rund 50 bis 60 Baumhäuser räumen und abbauen.

Der Energiekonzern RWE will im Herbst mehr als die Hälfte des noch verbliebenen Waldstücks zwischen Köln und Aachen roden, um weiter Braunkohle baggern zu können. Dagegen gibt es seit Langem Proteste. Aktivisten haben in bis zu 25 Metern Höhe rund 50 bis 60 Baumhäuser errichtet und halten den Wald damit seit sechs Jahren besetzt.

Begründet wurde die Räumung allerdings nicht mit dem geplanten Braunkohleabbau. Vielmehr argumentiert das NRW-Bauministerium unter anderem mit dem fehlenden Brandschutz in den Baumhäusern.

Für die Polizei ist es einer der größten Einsätze in der jüngeren NRW-Geschichte. Aus dem gesamten Bundesgebiet wurden Einsatzkräfte zur Verstärkung in den Hambacher Forst geholt. Auch Wasserwerfer und schweres Räumgerät wurden zum Hambacher Forst gebracht. Laut Polizei gab es bis zum Mittag eine vorläufige Festnahme.

Aus Sicht von RWE ist die Abholzung unvermeidbar, um die Stromproduktion in den Braunkohlekraftwerken zu sichern. Ein RWE-Sprecher betonte am Donnerstag, der Konzern sei nicht "unmittelbarer Veranlasser" des Einsatzes. "Die Rodungsarbeiten auf unserem widerrechtlich besetzten Grundstück sollen wie geplant erst im Oktober beginnen."

Mitarbeiter der zuständigen Stadt Kerpen informierten die Baumbesetzer am Donnerstagmorgen per Lautsprecher über den Räumungsbeschluss und forderten sie auf, die Baumhäuser innerhalb von 30 Minuten freiwillig zu verlassen. Als die Baumbesetzer die Frist verstreichen ließen, rückte das Höheninterventionsteam der Polizei mit einer Arbeitsbühne und einem großen Luftkissen auf dem Boden vor. Als erstes wurde ein von den Baumbesetzern aufgestellter Stamm mit einer Plattform abgebaut. Ein Aktivist war unmittelbar vor Beginn des Einsatzes weggeklettert.

Wenig später holten die Einsatzkräfte einen Aktivisten von einer in der Höhe befestigten Plattform. Der Mann habe keinen Widerstand geleistet und sei auf eine Arbeitsbühne der Polizei-Höhenretter gestiegen, berichtete ein dpa-Reporter.

Am frühen Nachmittag begannen die Behörden auch von Westen her, auf dem Gebiet des Kreises Düren, die Räumung vorzubereiten. Ein Vertreter des Kreises forderte Aktivisten in Baumhäusern auf, freiwillig auf den Boden zu kommen - andernfalls werde die Polizei die Bauten räumen. Der Hambacher Forst liegt genau auf der Grenze zwischen der Stadt Kerpen und dem Kreis Düren.

In den sozialen Netzwerken riefen die Baumbesetzer dazu auf, den Protest im Hambacher Forst zu verstärken und in den Wald zu kommen. "Wir werden deshalb ab diesem Wochenende mit Aktionen massenhaften zivilen Ungehorsams die Räumungen und Rodungen von Polizei und RWE verhindern. Durch diese Aktionsform nehmen wir unsere Zukunft selbst in die Hand", sagte Jan Pütz von der Aktion Unterholz.

Am Verwaltungsgericht Köln gingen mittlerweile sieben Eilanträgen ein, die die Räumung in letzter Minute noch juristisch stoppen könnten. "Die Kammer berät nun darüber", sagte eine Gerichtssprecherin. Eine Entscheidung solle so schnell wie möglich getroffen werden.

Vor Beginn der Kohleförderung war der Wald 4100 Hektar groß; nach Angaben des Tagebau-Betreibers RWE Power wurden bislang 3900 Hektar für den Kohleabbau gerodet. Der Wald hat nach Angaben des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) eine 12 000 Jahre lange Geschichte. Es gibt dort Vorkommen streng geschützter Arten wie Bechsteinfledermaus, Springfrosch und Haselmaus. Der Protest vor Ort richtet sich auch gegen den Abbau von Braunkohle allgemein.

Die in der Kohleausstiegs-Kommission vertretenen Umweltverbände DNR, BUND und Greenpeace sprachen von einer überflüssigen und gefährlichen Eskalation. Der Konflikt um den Forst könnten die Verhandlungen über den Kohleausstieg stören, da die Umweltverbände einen Rodungsaufschub fordern, bis ein Ergebnis vorliegt. Auch Grüne und Linke verurteilten die Räumung als Machtdemonstration und Provokation. Der Streit um den Hambacher Forst könnte die Arbeit der Kohlekommission stören. Denkbar ist, dass ein oder mehr Umwelt-Vertreter die Kommission verlassen./idt/cd/mhe/DP/stw