--Berechnungsformel des Bundeswirtschaftsministeriums laut Studie fehlerhaft

--Wirtschaftsministerium: Formel nicht im Kohleausstiegsgesetz

--EU prüft geplante Entschädigungszahungen beihilferechtlich

(NEU: Reaktionen von RWE und LEAG)

FRANKFURT (Dow Jones)--Die Berechnungsformel des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) zur Berechnung von Entschädigungszahlungen für den Kohleausstieg an die Energiekonzerne ist möglicherweise fehlerhaft. Laut einer Analyse des Klima-Thinktanks Ember, der gemeinsam mit Greenpeace die Berechnungsformel unter die Lupe genommen hat, stehen den Versorgern RWE und LEAG anstatt der vereinbarten 4,35 Milliarden Euro nur höchstens 343 Millionen Euro zu.

"Wirtschaftsminister Altmaier hatte die Formel zur Berechnung der Entschädigungen bewusst zur Verschlusssache erklärt", sagt Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. "Die realitätsfernen Berechnungen werden vor der EU-Kommission keinen Bestand haben. Die Entschädigungsmilliarden an RWE und LEAG müssen neu verhandelt werden."

Die Ember-Analyse zeige, dass die vom BMWi verwendeten Parameter zu einer Überbewertung der Entschädigungszahlung führen. So seien die Strom- und CO2-Preise willkürlich gewählt, mögliche Einsparungen von Fixkosten würden vernachlässigt und der Ausgleichszeitraum für vorgezogene Kraftwerksabschaltungen würde auf vier bzw. fünf Jahre festgelegt, obwohl dafür drei Jahre ausreichend seien. Jede der Annahmen für sich betrachtet würde den Ausgleichsbetrag ungefähr halbieren, so Greenpeace. Mit realistischeren Annahmen würden RWE maximal 154 Millionen Euro und der LEAG 189 Millionen zustehen. Greenpeace beabsichtigt, die Unterlagen an die EU-Kommission weiterzureichen, die derzeit die geplanten Entschädigungszahlungen beihilferechtlich prüft.

Auch der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, dass die zur Berechnung verwendete Formel vorteilhafte Annahmen für die Energiekonzerne enthalte. Das Bundeswirtschaftsministerium habe bei der Berechnung der Entschädigungen im Januar 2020 einen CO2-Preis für den Europäischen Emissionshandel von rund 17 Euro pro Tonne CO2 zugrunde gelegt, obwohl der Preis bereits Ende 2018 bei 22 Euro lag. Inzwischen liegt der Preis an der Strombörse Leipzig EEX bei über 50 Euro.

Laut dem Kohleausstiegsgesetz stehen RWE 2,6 Milliarden Euro Entschädigungszahlungen zu und der ostdeutschen LEAG 1,75 Milliarden Euro.


   RWE: Entschädigung unterhalb des tatsächlichen Schadens 

RWE wollte sich auf Anfrage von Dow Jones Newswires nicht zu der Studie äußern. "Mit Blick auf die Entschädigung gilt, dass sie mit 2,6 Milliarden Euro, die über die kommenden 15 Jahre ausgezahlt wird, deutlich unterhalb des für RWE tatsächlich entstehenden Schadens liegt", so der DAX-Konzern. "Der Schaden resultiert unter anderem aus den zusätzlichen Kosten für die geänderte Tagebauplanung, die sich vorrangig aus dem Erhalt des Hambacher Forsts ergibt, höheren Personalaufwendungen und Umstellungsaufwendungen, um den geänderten Betrieb von Kraftwerken und Tagebauen technisch zu ermöglichen. Hinzu kommen die entgangenen Deckungsbeiträge."

Die LEAG verweißt darauf, dass sie die vielfältigen Schäden und Mehrkosten gegenüber der Bundesregierung ausführlich begründet hat. Der Konzern werde "die EU-Kommission im Rahmen des Prüfverfahrens dabei unterstützen, das Verfahren faktenbasiert und zügig zu führen und abzuschließen". Zwischen dem Unternehmen und Bundesregierung bestehe Einigkeit über die Angemessenheit und Verwendung der vereinbarten Entschädigung. "Sie wird die erhöhten Aufwendungen insbesondere für Wiedernutzbarmachung von Bergbaufolgelandschaften infolge der vorgezogenen Beendigung der Lausitzer Tagebaue absichern und die soziale Flankierung des Kohleausstiegs (...) unterstützen. Nicht zuletzt sei die Entschädigung auch im Licht des umfassenden Rechtsmittelverzichts zu bewerten, den LEAG mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag garantiere.


   Entschädigungsbeträge Ergebnis intensiver Verhandlungen 

Das Wirtschaftsministerium erklärte, die vereinbarten Entschädigungsbeträge seien das Ergebnis intensiver Verhandlungen. Die genannte Formel habe keinen Eingang in das Kohleausstiegsgesetz gefunden. "Ein Grund dafür war, dass (...) bei einer so komplexen und langfristigen Maßnahme wie der Reduktion und Beendigung der Kohleverstromung viele verschiedene Aspekte zu berücksichtigen sind", erklärte eine Sprecherin auf Anfrage von Dow Jones News. "Dazu gehören neben den entgangenen Gewinnen auch weitere, relevante Kostenpositionen wie etwa die Tagebaufolgekosten oder die Sozialkosten."

Auch verwies sie auf die Tatsache, dass die Betreiber einen umfassenden Klageverzicht abgegeben hätten. "Vor diesem Hintergrund ist es nur sehr eingeschränkt möglich, Entschädigungsbeträge allein aufgrund einer Formel zu berechnen", so die Sprecherin. Der Sachverhalt werde zudem von der EU-Kommission ergebnisoffen geprüft.

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May 17, 2021 12:39 ET (16:39 GMT)