(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Gewinnabschöpfung und AKW, weitere Analystenstimmen, Kurs aktualisiert)

ESSEN (dpa-AFX) - Der Energiekonzern RWE hat einen Teil seiner Jahresziele bereits nach neun Monaten erreicht. Der Konzern schneidet damit besser ab, als Analysten es erwartet hatten. Das Management bestätigte am Donnerstag bei der Vorlage der Zahlen in Essen jedoch lediglich die Jahresprognose. Finanzchef Michael Müller verwies in einer Telefonkonferenz zur Begründung auch auf die noch ausstehenden Details der geplanten Gewinnabschöpfung. Einige Branchenexperten hatten auf eine Erhöhung der Jahresziele gehofft. Am Markt hatte es am Morgen deshalb zunächst noch kritische Stimmen gegeben, die Aktie drehte aber schnell ins Plus.

RWE profitiert stark von der hohen Stromnachfrage in Verbindung mit knappen Erzeugungskapazitäten sowie von seinem Ausbau der Erneuerbaren Energien und einem starken internationalen Handelsgeschäft. Allerdings werden die Essener einen Teil ihrer Einnahmen wohl abgeben müssen. Voraussichtlich in der kommenden Woche will die Bundesregierung über weitere Details der Strom- und Gaspreisbremse entscheiden.

Konzern-Finanzchef Müller nannte die noch fehlende Kenntnis der geplanten Gewinnabschöpfung als einen der Gründe für die ausgebliebene Prognoseerhöhung. Er plädierte an die Politik, Eingriffe in bewährte marktbasierte Systeme zu vermeiden. Wo diese von der Politik als unbedingt notwendig erachtet würden, sei eine Befristung für die Zeit der Krise wichtig, sagte der Manager. "Wir müssen uns aus der Krise raus investieren." Dafür müssten die Rahmenbedingungen für Investoren attraktiv und verlässlich bleiben.

Der Konzern habe einmal mehr sehr starke Zahlen vorgelegt, kommentierte Peter Crampton, Analyst bei der britischen Investmentbank Barclays. Die Jahresziele bewertete er als "sehr konservativ". Er rechnet weiter damit, dass RWE die Ziele in diesem Jahr noch ein viertes Mal anheben wird.

Auch Crampton glaubt, dass die Prognose zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht verändert wurde, weil in der kommenden Woche in Deutschland wegweisende Entscheidungen der deutschen Regierung zur Gas- und Strompreisbremse erwartet werden. Anleger sollten daher über die Bestätigung der Ziele hinwegsehen. Die Aktie notierte gegen Mittag mit 2,6 Prozent deutlich im Plus bei 40,47 Euro.

Auch Analyst Vincent Ayral von der US-Bank JPMorgan sieht gute Chancen für RWE, die Prognose im Gesamtjahr zu übertreffen. Kollege Alberto Gandolfi von Goldman Sachs hält es indes für möglich, dass der Rückenwind für die Erträge auch 2023 anhält.

Schon vor der Zahlenvorlage hatten sich die durchschnittlichen Schätzungen der Branchenexperten für das Gesamtjahr am oberen Ende der vom RWE-Management avisierten Spanne bewegt. Zumindest beim bereinigten Nettoergebnis hat der Dax-Konzern jetzt auch das untere Ende seiner eigenen Jahresziele erreicht: In den ersten neun Monaten verdienten die Essener bereinigt um Sondereffekte 2,1 Milliarden Euro. Das ist mehr als doppelt so viel wie letztes Jahr.

Inklusive der Sondereffekte blieb unter dem Strich ähnlich viel, hier ergibt sich im Vergleich zum Vorjahr aber ein Rückgang von rund einem Viertel. Dabei wirkten sich die Bewertung von Absicherungsgeschäften gegen Preisrisiken und Vorräte aus und auch Wertberichtigungen. Da diese Sondereffekte in Teilen nur temporärer Natur sind, bereinigt RWE seine wichtigsten Kennziffern.

Auch beim bereinigten operativen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (ber Ebitda) ist RWE auf gutem Weg zu den Jahreszielen. Der Wert stieg bis Ende September um 70 Prozent auf gut 4,1 Milliarden Euro. Im sogenannten Kerngeschäft konnte es sogar verdoppelt werden. 2022 peilt RWE für den Gesamtkonzern einen Wert zwischen 5 und 5,5 Milliarden Euro an, wobei zwischen 4,3 und 4,8 Milliarden Euro aus dem Kerngeschäft kommen sollen.

In dem Segment subsumiert RWE die Bereiche Windkraft an Land und auf See, Solar, Energiehandel sowie Wasser, Biomasse und Gas. Den Rest macht das Geschäft mit Kohle und Kernenergie aus. Hier ging das Ergebnis bis Ende September um 12 Prozent aufgrund von Kraftwerksschließung zurück, zudem hatte RWE die produzierte Energie bereits im Vorfeld der aktuellen Versorgungskrise zu niedrigeren Preisen verkauft.

Noch nicht vermarktet sind hingegen laut Müller die 1,7 Terawattstunden Stromproduktion, die RWE von Januar bis April im Streckbetrieb im Atomkraftwerk Emsland erwartet. Sie sollen auf dem Spotmarkt veräußert werden.

Neuen Brennelementen für das Kraftwerk erteilte der Manager eine Absage: "Der Bundeskanzler hat die Entscheidung gefällt, dass wir bis Mitte April in den Streckbetrieb gehen", sagte Müller. "Das werden wir dementsprechend so auch einrichten und Brennelemente werden wir deshalb auch nicht bestellen." Müller reagierte damit auf die aktuelle Diskussion um verlängerte Laufzeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Mitte Oktober entschieden, dass die verbleibenden drei deutschen Atomkraftwerke bis maximal April 2023 weiterlaufen können.

In den ersten neun Monaten sorgten die hohen Energiepreise bei RWE konzernweit für einen mehr als verdoppelten Außenumsatz, bei einer nahezu stabilen Stromerzeugung. Der Außenumsatz ist exklusive Erdgas- und Stromsteuer und belief sich per Ende September auf fast 27 Milliarden Euro./lew/tob/mis