BRÜSSEL (dpa-AFX) - Das Verfahren zum Ende der Stromproduktion aus Steinkohle in Deutschland hat eine wichtige Hürde genommen. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission genehmigten am Mittwoch den Mechanismus, nach dem Kraftwerksbetreiber sich in Ausschreibungen auf Stilllegungsprämien bewerben. Bereits am 1. Dezember will die Bundesnetzagentur Ergebnisse der ersten Runde bekanntgeben. Beim Braunkohleausstieg, der über feste Entschädigungen geregelt wird, sind noch Fragen offen. Die EU-Kommission geht davon aus, dass dazu ein förmliches Prüfverfahren "gerechtfertigt" ist, wie sie mitteilte.

Die Pläne Deutschlands, Anreize fürs frühzeitige Stilllegen von Steinkohlekraftwerken zu bieten, stünden mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang, kommentierte die für Wettbewerbspolitik zuständige Vizepräsidentin Margrethe Vestager. "Diese Entscheidung ist ein wichtiges Signal und schafft Planungssicherheit für alle Beteiligten", teilte der Bund mit. Sie ermögliche die planmäßige Stilllegung von Kraftwerkskapazitäten bei der Steinkohle in Höhe von 4000 Megawatt noch in diesem Jahr.

Einschränkend merkte die Kommission an, dass die Wettbewerbshüter noch nicht abschließend festgestellt hätten, ob die Maßnahme den betroffenen Betreibern einen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern verschaffe und somit möglicherweise eine staatliche Beihilfe darstelle. In der Prüfung sei es um die Vereinbarkeit mit dem EU-Binnenmarkt gegangen. Zudem soll die für 2027 vorgesehene Ausschreibungsrunde entfallen, wie die Bundesregierung erklärte. Ziel ist es, dass es in den verbleibenden Ausschreibungsrunden mehr Bewerber und somit mehr Wettbewerb gibt.

Deutschland will für den Klimaschutz bis spätestens 2038 alle Kohlekraftwerke stilllegen. Mit den Braunkohlebetreibern RWE und Leag wurden feste Abschaltdaten und Entschädigungssummen ausgehandelt, die von der EU-Kommission noch geprüft werden müssen. Für die Steinkohle, wo es viele verschiedene Kraftwerksbetreiber gibt, entschied man sich für das Ausschreibungs-Modell. Wenn nicht genug Kraftwerksblöcke über die Ausschreibungen aus dem Markt genommen werden, können sie per Anordnung der Bundesregierung ohne Entschädigung vom Markt genommen werden. Ab 2027 wird grundsätzlich nicht mehr entschädigt.

In der ersten Runde hatte die Bundesnetzagentur Kapazitäten im Umfang von 4000 Megawatt zur Stilllegung ausgeschrieben. Pro abgeschaltetem Megawatt Kraftwerksleistung gibt es maximal 165 000 Euro. Der Betreiber, der die geringste Summe je vermiedener Tonne CO2 fordert, erhält als erster einen Zuschlag. Die nächsthöheren Gebote folgen dann.

Teilnehmen durften nur Kraftwerke nördlich des Mains, damit nicht die Stabilität des Stromnetzes in Deutschland durch die Abschaltungen gestört wird. Bislang haben zwei Kraftwerksbetreiber mitgeteilt, dass sie ein Gebot abgegeben haben. Der schwedische Energiekonzern Vattenfall will sein Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg mit zwei Blöcken von jeweils 800 Megawatt stilllegen. Daneben hat der Essener Steinkohleverstromer Steag bestätigt, dass er sich an der Ausschreibung beteiligt hat.

Viele Steinkohlekraftwerke werden von Stadtwerken betrieben. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) teilte mit, die beihilferechtliche Genehmigung gebe Planungssicherheit. Dass die letzte Ausschreibungsrunde 2027 nicht anerkannt werde, sei "bedauerlich". Das führe "zu einer weiteren Benachteiligung der Steinkohle gegenüber der Braunkohle".

Die Ankündigung der Prüfung hat nach Angaben der Bundesregierung keinen Einfluss auf die Stilllegung von Braunkohlekapazitäten in Deutschland. Der vereinbarte Pfad, nach dem das erste Kraftwerk zum Ende dieses Jahres abschaltet, "gilt nach wie vor und wird umgesetzt", teilte die Regierung mit.

Der Essener RWE-Konzern nannte das Prüfverfahren ein normales Prozedere. "Ein solches Vorgehen erhöht am Ende unsere Rechtssicherheit", teilte eine Sprecherin mit. RWE soll für das vorzeitige Abschalten von Kraftwerken und die Stilllegung von Tagebauen eine Entschädigung von 2,6 Milliarden Euro erhalten, für die ostdeutsche Leag sind 1,75 Milliarden Euro vorgesehen. RWE will den ersten Braunkohleblock Ende des Jahres abschalten.

Leag teilte mit, man gehe davon aus, dass die EU-Kommission den ausgehandelten Vertrag zwischen Bund und Unternehmen "als angemessen und als Ausdruck eines gesamtgesellschaftlichen Konsens würdigt", wie ein Sprecher mitteilte. Das Unternehmen biete seine Mitarbeit im Prüfverfahren an./aha/DP/nas