Berlin (Dow Jones)--Die Umweltorganisation Greenpeace sieht den Essener Energieversorger RWE wegen steigender CO2-Preise und dem Atomausstieg vor schwierigen Jahren. Nach dem Milliarden-Deal mit Eon verfüge RWE zwar nun über ein Ökostrom-Portfolio, habe aber "keine solide Wirtschaftsbasis - auch nicht mehr am Stammsitz in Deutschland", heißt es in der Kurzanalyse des Hamburger Energieanalysten Steffen Bukold. Der Konzern wies dies indes deutlich zurück.

Hinter dem Strategiewandel vom Braunkohlegiganten zum internationalen Öko-Unternehmen stecke "nur wenig Substanz", kritisiert die Greenpeace-Studie. Weiterhin bleibt RWE mit 89 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr größter Verschmutzer in Europa. Die spezifischen Emissionen in Deutschland seien mit 792 Gramm pro Kilowattstunde fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Der Anteil von Wind, Solar, Wasserkraft und Biomasse am RWE-Strommix betrage lediglich 21 Prozent, und die Finanzdecke bleibe "dünn".

Der langsame Erneuerbaren-Zuwachs sei jedoch gefährlich: Denn die CO2-Preise im europäischen Emissionshandel (ETS) stiegen Anfang 2021 auf ein Allzeithoch von über 40 Euro pro Tonne. Zudem peilt die EU für 2030 nun deutlich strengere Klimaschutzziele an. Konzernchef Rolf Martin Schmitz betonte indes, die steigenden CO2-Preise seien für den Konzern wegen der langfristigen Absicherungsgeschäfte kein Problem. "Denn wir sind bis 2030 gehedgt gegenüber dem Markt", so Schmitz. Dank der jüngsten Kapitalerhöhung im August liegt die Eigenkapitalquote laut Geschäftsbericht nun bei 29,1 Prozent.

Greenpeace warnt aber auch vor einer zunehmend harten internationalen Konkurrenz mit Ölmultis wie BP oder Shell, die ebenfalls in den Markt mit Offshoreanlagen drängen. Diese nutzten ihre Marktmacht "in einem bislang nicht gesehenen Umfang und erzielen im Handel hohe Gewinne - auf Kosten der Konkurrenz". RWE sei zudem international "ein lediglich mittelgroßer Newcomer, der jederzeit zum Übernahmekandidat werden kann".

Dass das Geschäft mit Meereswindparks auch für neue Akteure "attraktiver" geworden sei, bestätigte Finanzvorstand Markus Krebber zwar auf Nachfrage. RWE sei aber im Offshore-Markt weltweite Nummer 2 nach dem dänischen Giganten Orsted und habe einen Startvorteil. Außerdem habe sich der Konzern bei der jüngsten Offshore-Ausschreibung der englischen Krone, an der auch BP und Total beteiligt waren, mit 3 Gigawatt den größten Anteil gesichert. "In dem Auktionsprozess haben wir auch den geringsten durchschnittlichen Preis gezahlt, was zeigt, dass wir das Geschäft verstehen." Zu den Übernahmespekulationen erklärte Krebber, derartige Diskussionen führe das Unternehmen "mit unseren Investoren und den Analysten und weniger mit Greenpeace". Konzernchef Schmitz ergänzte: "Ich finde das ganz lustig, weil gleichzeitig ist man Pleitekandidat und Übernahmekandidat."

Dagegen erklärte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid: "Der Konzern wird nur dann einen Platz in der neuen Energiewelt finden, wenn er seinen massiven CO2-Ausstoß viel schneller als bislang senkt und einen raschen Schlussstrich unter der Braunkohle zieht."

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March 16, 2021 06:51 ET (10:51 GMT)