BERLIN (dpa-AFX) - Kai Ebel wird den Fahrern am Sonntag nicht mit bunten Klamotten und Mikrofon in der Boxengasse auflauern. Der für seine extravaganten Mode-Geschmack bekannte TV-Journalist wird stattdessen wegen der Corona-Pandemie im RTL-Studio in Köln sitzen. So schmerzt der erzwungene Abschied, das Ende einer ganz besonderen TV-Ära doppelt. "Ich fahre ins Studio, schaue das Rennen zusammen mit den Kollegen und hoffe auf eine schöne Abschlussquote", sagte Ebel der Deutsche Presse-Agentur.

Nach 30 Jahren ist Schluss, die Übertragung des Rennens in Abu Dhabi ist die letzte für den Privatsender. Das ist bitter für RTL und seine Motorsport-Mitarbeiter. Und das ist bitter für die meisten Formel-1-Fans, die zukünftig zahlen müssen.

Das Sinnbild für die RTL-Übertragungen war Ebel. Das Markenzeichen, das nur am Anfang einen dunklen Anzug trug. "Eine bis dahin bei Sportübertragungen unbekannte Emotionalisierung und Eventisierung" nennt der Sender selbst sein Konzept. Für das stand der rasende Reporter, seit 1993 im Boxengassen-Einsatz, mit seinem oft schrillen Outfit wie kein Zweiter. Deutlich zurückhaltender agierten Moderator Florian König oder die Kommentatoren Heiko Waßer und Christian Danner.

Die Anfänge der damaligen "Randsportart", wie RTL es ausdrückt, waren bescheiden. Im ersten Jahr der verlässlichen Quotenmessung brachten es die 16 Renn-Übertragungen 1992 auf durchschnittlich 1,76 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 20,6. Doch dann kam Michael Schumacher, ein einheimischer Held, ohne den kein erfolgreiches TV-Format auskommt.

Mit "Schumi" und seinen sieben WM-Titeln brauste auch RTL bei den Quoten immer häufiger auf Platz eins. Den heute kaum mehr zu glaubenden Höchstwert gab es 2001. Bei jedem der 17 Rennen schauten im Schnitt 10,44 Millionen Menschen zu und sorgten für einen Marktanteil von 55,4 Prozent. Auf einen Durchschnitt von ungefähr 4 Millionen Zuschauern wird sich der Durchschnittswert 2020 nach dem letzten RTL-Rennen am Sonntag einpendeln.

Dennoch darf RTL mit Recht für sich "eine einzigartige Erfolgsgeschichte" reklamieren. 533 Renn-Übertragungen haben die Statistiker des Hauses gezählt und 3,14 Milliarden Zuschauer in 30 Jahren addiert.

Die Werbeunterbrechungen und der bunte Boxengassen-Reporter mögen nicht jedem Motorsport-Liebhaber uneingeschränkt gefallen haben, doch die Zuschauer waren insofern verwöhnt, als dass sie die Trainingseinheiten und Rennen drei Jahrzehnte ohne zusätzliche Kosten verfolgen durften. Das ist ab dem kommenden Jahr vorbei. Fast alle Formel-1-Rennen werden ab der kommenden Saison nur gegen zusätzliche Bezahlung zu sehen sein. Der Pay-TV-Sender Sky muss nur vier Rennen frei zugänglich machen.

Sky hatte RTL nach einigen vergeblichen Anläufen beim Rechtepoker im Frühjahr überboten. "Wenn Konkurrenten im Spiel sind, die bereit sind, das Doppelte zu bieten, muss man sich mit einem Ausstiegsszenario zwangsläufig auseinandersetzen", sagte - ohne Zahlen zu nennen - der zum Jahresende bei RTL ausscheidende Sportchef Manfred Loppe.

Timo Glock wechselt als Einziger von RTL zu Sky. "Wir sind damit für die Saison 2021 personell bestens aufgestellt", antwortete ein Sky-Sprecher auf die Frage nach Kai Ebel. Der bis zum letzten Saisonrennen noch bei RTL tätige Fernsehjournalist hatte zuvor einen Wechsel zum Pay-TV-Sender nicht ausgeschlossen. "Es ändert sich manchmal so schnell", hatte der 56 Jahre alte Reporter gesagt: "Ich gehe ja nicht in Rente."/mrs/DP/eas