LUXEMBURG (dpa-AFX) - Der deutsche Privat-Fernsehsender RTL kämpft an vielen Fronten. Da ist das Dauerproblem sinkender Werbeerlöse, weil viele Zuschauer lieber Serien auf Netflix oder Amazon schauen, was vor allem die jüngere Zielgruppe betrifft. Hinzu kommt eine Reihe rascher Personalwechsel. Branchenkenner sind skeptisch, dass dem TV-Sender der Neustart aus dem Sinkflug bald gelingt. Was bei dem Unternehmen passiert, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI RTL:

So hatte sich der Fernsehsender sein 35-jähriges Jubiläum in Deutschland wohl nicht vorgestellt. Am 2. Januar 1984 war RTLplus, wie RTL damals noch hieß, erstmals auf Sendung gegangen. In letzter Zeit fielen die Kölner jedoch besonders durch Abgänge aus der Chefetage auf. Zum Jahresanfang löste Bernd Reichart die bisherige Chefin der Mediengruppe RTL Deutschland, Anke Schäferkordt, ab. Danach folgte die Geschäftsführung, die Jörg Graf von Frank Hoffmann übernahm. Vor einigen Tagen ging nun auch Unterhaltungschef Tom Sänger "auf eigenen Wunsch", wie es hieß. Er hatte mehr als 16 Jahre den Bereich geleitet. Den Posten übernehmen der bisherige Vox-Chefredakteur Kai Sturm und Markus Küttner, der zuvor die Sparten Real Life & Comedy verantwortete. Vox bekommt ebenfalls ein neues Leitungsduo.

Für die neuen Chefs wird die Herausforderung sein, weitere Erlösquellen neben dem rückläufigen TV-Werbegeschäft zu finden. Wie Konkurrent ProSiebenSat.1 setzt auch RTL auf den Ausbau seiner Digitalsparte und seines Video-Streaming-Angebots. Anstatt aber auf die Einladung von ProSiebenSat.1 Chef Max Conze einzugehen, sich an einer Streaming-Plattform der Unterföhringer zu beteiligen, will RTL den Ausbau seiner eigenen Plattform TV Now vorantreiben. Neben Conze hatte auch der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm die Beteiligung von Privatsendern an einer gemeinsamen, möglicherweise sogar europäischen Plattform ins Spiel gebracht.

Anfang Januar kaufte RTL die britische Firma Yospace für bis zu 33 Millionen US-Dollar (29 Mio Euro). Mit den Lösungen des Spezialisten für den digitalen Videovertrieb will RTL in Videostreams zielgerichtetere, personalisierte Werbung einflechten. RTL hatte bereits Anfang Dezember hohe Investitionen in eher lokale, exklusive Inhalte und eine Technikplattform für Video-on-Demand angekündigt. Auf der neuen Plattform sollen alle bisherigen Streamingangebote gebündelt werden und zwar aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Konzernchef Bert Habets kündigte an, RTL habe das strategische Ziel, "lokale Streaming-Champions" in allen Märkten zu schaffen, wo das Medienunternehmen starke Senderfamilien habe. Die Zahlen für das Gesamtjahr legt RTL am 13. März vor.

DAS SAGEN ANALYSEN:

Hauptsorge der Analysten sind die schwächelnden Werbemärkte in Deutschland und Europa. Bei RTL könnten die Nettowerbeerlöse im vierten Quartal 2018 um 7,5 Prozent sinken, schätzt etwa Analyst Richard Eary von der Schweizer Großbank UBS. Das wäre ihm zufolge der stärkste Rückgang im Sektor. Auch Analyst Julien Roch von der britischen Investmentbank Barclays bezeichnet die Bedingungen für die Werbemärkte von RTL als schwierig. Sein Kursziel liegt dennoch rund ein Viertel über dem aktuellen Kurs.

Deutlich pessimistischer äußert sich die Deutsche Bank. Analystin Laurie Davison verweist auf den Konkurrenzdruck, der durch neue Video-Streaming-Anbieter drohe. Dass Apple einen solchen Dienst plane, sei eine negative Nachricht für europäische Sender, schrieb sie Ende Januar. Der Einstieg neuer Player werde den Druck auf die Werbeerlöse erhöhen. Diese Einschätzung teilt auch Analyst Adrien de Saint Hilaire der US-Investmentbank Merrill Lynch. Der beschleunigte Trend hin zu Online-Streaming gefährde den Anteil klassischer TV-Werbung, schlussfolgerte er.

Von 14 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten raten nur zwei zum Kauf der RTL-Aktie, neun zum Halten und drei zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel auf zwölf Monate liegt bei 57,91 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Trend des Kurses zeigt seit längerem bergab. Vom Hoch bei 99,93 Euro vor gut fünf Jahren entfernt sich die RTL-Aktie immer weiter. Aktuell ist das Papier weniger als die Hälfte wert.

Auch im Vergleich zur europäischen Branche hat sich RTL deutlich schlechter entwickelt. Während es für die Aktie in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 30 Prozent bergab ging, konnte der Branchenindex Stoxx 600 Europe Media um fast zehn Prozent zulegen. Von den deutschen Medien folgt dahinter noch ProSiebenSat.1, die in diesem Zeitraum mit einem Minus von fast 50 Prozent den letzten Rang der Medienwerte belegen./elm/tav/jha/