Von Jinjoo Lee

NEW YORK (Dow Jones)--Was für Royal Dutch Shell ein Sandkorn ist, entpuppt sich für einen anderen Ölproduzenten als Perle. Zu Wochenbeginn kündigte Shell an, sein Schieferölgeschäft im Permian-Becken in den USA an Conocophillips für 9,5 Milliarden US-Dollar in bar zu verkaufen. Es gab wohl nur einen begrenzten Pool potenzieller Käufer: Ölkonzerne stehen unter immensem Druck seitens ihrer Aktionäre, Kapital- und Umweltdisziplin zu halten, während nur ein paar wenige unabhängige Öl- und Gasproduzenten die nötige Bilanz für einen Deal dieser Größenordnung vorweisen können.

Angesichts dieser Voraussetzungen lässt sich kaum von einem schlechten Preis sprechen. Analyst Scott Hanold von RBC Capital Markets schrieb, dass Investoren mit einem Preis von 9 Milliarden Dollar oder weniger gerechnet hatten.

Ökonomisch gesehen ergibt die Akquisition für Conocophillips Sinn, denn der US-Konzern hat eine starke Position im Permian-Bassin, nachdem er vergangenes Jahr bereits Concho Resources gekauft hat. Er steigert seine Fördermenge damit um rund 40 Prozent. Die Grundstücke liegen zudem nicht auf staatlichem Land und weisen ein niedrigeres regulatorisches Risiko auf. Conocophillips geht davon aus, effizienter fördern zu können, indem bestehende Bohrlöcher verbessert und längere Seitenarme gebohrt werden.

Für Aktionäre ist vor allem wichtig, dass der Konzern davon ausgeht, die Mittel, die an die Anleger zurückfließen, über zehn Jahre um rund 10 Milliarden US-Dollar erhöhen zu können. Das gilt selbst unter der Annahme eines moderaten Preises der Ölsorte West Texas Intermediate von 50 Dollar pro Barrel.


   Anleger honorieren sowohl Kauf als auch Verkauf 

Der Deal zeigt, dass große unabhängige Öl- und Gasproduzenten mit großen Ölfeldkäufen mit dem richtigen Preis und der richtigen wirtschaftlichen Begründung durchkommen können. Die Aktie des Conocophillips-Konzerns, der im Mai Ziel einer erfolgreichen Kampagne aktivistischer Investoren für konkrete Emissionsziele war, stieg am Dienstag um 2,6 Prozent. Die Shell-Aktie legte um 3,4 Prozent zu.

Obwohl der Deal in warme Worte des Umweltbewusstseins verpackt wurde - Shell und Conoco bekräftigten ihr Bekenntnis zu den Klimazielen -, signalisiert er nicht gerade einen Glauben der Konzerne an eine radikale Abkehr von fossilen Brennstoffen.

Mit Blick auf Shell wäre der Verkauf von Aktiva mit einem langen Lebenszyklus ein stärkeres Alarmsignal für ein bevorstehendes Überschreiten der Höchstfördermenge gewesen als der Verkauf eines Vermögenswertes mit einem kurzen Lebenszyklus wie die Schiefergasfelder im Permian-Bassin. Das schrieb Chief Investment Officer Dan Pickering von Pickering Energy Partners bereits im Juli. Unterdessen dürfte Conocophillips wohl die nötige Größe und Expertise besitzen, um das Permian-Bassin effizienter und langfristig auszubeuten.


   Womöglich Auftakt einer Verschiebung innerhalb der Branche 

Die Transaktion ist möglicherweise der Auftakt zu einer Staffelstabübergabe in der Fossilbrennstoff-Branche in den kommenden Monaten und Jahren von den am stärksten zu den am wenigsten unter Klimaschutzzwängen stehenden Unternehmen und von den am wenigsten effizienten und den effizientesten.

Der Auftakt ging als Win-win-Situation für beide Beteiligte über die Bühne, sowohl finanziell als auch unter Umwelt-Gesichtspunkten. Nicht jeder künftige Deal wird jedoch beide Aspekte erfüllen können.

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DJG/DJN/mgo/smh

(END) Dow Jones Newswires

September 22, 2021 07:36 ET (11:36 GMT)