Von Stephen Wilmot

NEW YORK (Dow Jones)--Für einige wenige traditionelle Autohersteller könnte die Abspaltung hoch gehandelter Unternehmensteile beim Konkurrieren mit Firmen wie Tesla und Rivian helfen. Sie könnten dann an den Finanzmärkten besser Kapital einsammeln. Für die meisten Traditions-Autobauer ist die Sache jedoch komplizierter als das.

An der Wall Street wird man nicht müde, sich zu fragen, was Unternehmen wie VW oder General Motors (GM) wohl wert wären, wenn ihre Tochtergesellschaften mehr im Einklang mit den börsennotierten Konkurrenten bewertet würden. Die Hoffnungen konzentrierten sich in diesem Monat auf VW, nachdem Reuters und das Handelsblatt berichtet hatten, dass der Hersteller weiterhin einen Börsengang seiner lukrativen Sportwagenmarke Porsche prüfe.


   Porsche ist in puncto E-Mobilität ein echter Vorreiter 

Das Brokerhaus Bernstein wies darauf hin, dass Porsche weit mehr wert wäre als die Muttergesellschaft, wenn die Gewinne von Porsche mit dem gleichen Faktor wie die des unabhängig notierten Ferrari bewertet würden. Porsche hat auch ein vielversprechendes Standbein bei den Elektrofahrzeugen. Der vollelektrische Porsche Taycan übertraf in den ersten neun Monaten des Jahres den klassischen benzinbetriebenen 911er der Marke. Die VW-Aktie sprang am Tag der Meldung über den Börsengang um rund 9 Prozent nach oben. Derweil gehen Nachrichten rund um GM in die entgegengesetzte Richtung. Die Erwartungen, dass das Unternehmen seine mehrheitlich in seinem Besitz befindliche autonome Fahrzeugeinheit Cruise an die Börse bringt, erhielten vergangene Woche einen Dämpfer. GM gab nämlich den Rücktritt des Chefs dieser Sparte, Dan Ammann, bekannt. Zwar äußerte sich GM nicht zu den Gründen, aber der ehemalig Banker Ammann war an dem Vorstoß für einen Börsengang von Cruise beteiligt, das Honda und Softbank zu seinen Minderheitsinvestoren zählt. Die GM-Aktien fielen daraufhin um etwa 6 Prozent.

Beide Fälle verdeutlichen ein Dilemma: Autohersteller wollen zwar die enthusiastischen Auto-Tech- und Luxus-Investoren anzapfen, aber ohne die Kontrolle über Vermögenswerte abzugeben, die für ihre Zukunft zentral sind. Selbst nach einer starken Erholung nach der Pandemie sind Aktien wie GM und VW im Vergleich zu E-Auto-Spezialisten, die den Anlegern ein enormes Wachstumspotenzial bieten, sowie zum Luxus-Urgestein Ferrari sehr niedrig bewertet. Das bedeutet, dass Tesla und E-Auto-Startups sich an Aktienanleger wenden können, um die enormen Summen zu erhalten, die für die Entwicklung und den Bau der nächsten Fahrzeuggeneration erforderlich sind. Zugleich müssen die traditionellen Marktteilnehmer auf ihre hart verdienten Cashflows zählen. Sie benötigen also Wege, um sich das finanzielle Spielfeld zu ebnen.


   GM zeigt sich zögerlich 

Porsche ist nicht der einzige Vermögenswert, mit dem VW wuchern kann. Vielleicht mit Blick auf den Börsengang des südkoreanischen Batterieriesen LG Energy kündigte VW vergangene Woche die Gründung einer eigenen Gesellschaft für seine Batterieinvestitionen an. Ähnlich spekulierten Analysten Anfang des Jahres, dass GM seine Batterieplattform Ultium ausgliedern könnte. Das Problem bei solchen Theorien ist, dass Elektroautos und die damit verbundene digitale Technologie im Mittelpunkt der Strategien der Autohersteller stehen. Unternehmen könnten auch den Verkauf von Anteilen an der Lieferkette in Erwägung ziehen - das ist der Plan von VW mit dem Batteriegeschäft - aber nur, sofern die Geschäfte ihre strategische Flexibilität nicht einschränken. GMs Zögern, Cruise an die Börse zu bringen, ist ein Hinweis darauf, dass CEO Mary Barra die Fahrerautomatisierung sowie E-Autos zunehmend als eine Kernkompetenz sieht und nicht als ein Nebengeschäft, das sich am besten für Taxis eignet.

Die wenigen angekündigten Ausgliederungen von E-Fahrzeugen sind Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Vergangene Woche gab Harley-Davidson bekannt, dass es seine Elektro-Marke Livewire durch eine Fusion mit einer speziellen Übernahmegesellschaft an die Börse bringen will. Ironischerweise besteht ein wesentlicher Teil des Verkaufsarguments darin, dass Harley-Bikes im Gegensatz zu Autos und Livewires urbanen Zweirädern noch nicht bereit sind, elektrisch betrieben zu werden: Die Batterien sind noch zu schwer, um Motorräder über lange Strecken zu transportieren. Ohne Tesla- oder Rivian-Äquivalente, die in Harleys Revier eindringen, kann das Unternehmen die Elektro-Technologie vorerst als Nebengeschäft betrachten und eine Minderheitsbeteiligung zu einem hohen Preis verkaufen.


   Abspaltung der Lkw-Sparte durch Daimler als Vorbild 

Porsche ist ein ähnlich plausibler Kandidat für eine Ausgliederung, da der breitere E-Auto-Vorstoß von VW nicht davon abhängt. Außerdem würden die Hauptaktionäre des Mutterkonzerns, die Nachfahren von Ferdinand Porsche, die Marke ihres Vorfahren wahrscheinlich gerne wieder unabhängig an der Börse notieren lassen. Der potenzielle Deal hat sowohl emotionale als auch strategische Bedeutung.

Das aktionärsfreundlichste Modell für eine Börsennotierung war die jüngste Ausgliederung der Lkw-Sparte von Daimler direkt an Investoren. Liefe es bei Porsche nach einem ähnlichen Schema ab, resultierte das in einem angemessenen Streubesitz mit viel Unabhängigkeit. Jüngste Presseberichte deuten jedoch darauf hin, dass VW stattdessen einen Minderheits-Börsengang in Erwägung zieht, der zwar Mittel für die Muttergesellschaft einbrächte, aber möglicherweise nicht viel Wert freisetzte. Aktien von Unternehmen, von denen nur ein Minderheitsanteil börsennotiert ist, werden oft mit Abschlägen gehandelt, da sie nicht liquide sind und die Großaktionäre nicht immer die gleichen Interessen wie die Kapitalmärkte haben. Dies ist auch für Harley-Investoren ein Problem, das sie im Auge behalten sollten: Der Motorradhersteller wird auch nach der SPAC-Fusion noch fast drei Viertel von Livewire besitzen. Autohersteller, die eine Abspaltung erwägen, befinden sich in einem Dilemma. Sie können die Kontrolle über die Vermögenswerte behalten, aber das wäre teilweise kontraproduktiv, da sich der Wert, der sich mit ihnen erlösen lässt, gleich wieder verringerte. Die Anleger sollten mehr darüber nachdenken, wie Automobilhersteller ihre Bewertungen verbessern können, indem sie alte Vermögenswerte mit Verbrennungsmotoren ausgliedern. Dieses Thema hat nur Volvo ernsthaft angesprochen. Finanztechniken können der Automobilindustrie wahrscheinlich helfen, aber nicht so, wie die Tesla-besessenen Investoren oft denken.

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December 23, 2021 11:00 ET (16:00 GMT)