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STOCKHOLM (dpa-AFX) - Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie haben kein Loch in die Kassen der führenden Rüstungskonzerne gerissen. Im Gegenteil: Die 100 größten Waffenverkäufer der Welt verkauften vergangenes Jahr Rüstungsgüter und Dienstleistungen rund ums Militär für 531 Milliarden US-Dollar (etwa 470 Milliarden Euro). Währungsbereinigt bedeutet dies im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 1,3 Prozent. Dies geht aus einem Bericht hervor, den das Friedensforschungsinstitut Sipri am Montag in Stockholm veröffentlichte.

Damit stieg der Umsatz der großen Rüstungskonzerne bereits das sechste Jahr in Folge. Allerdings war es das geringste Plus seit drei Jahren. "Obwohl das globale Bruttoinlandsprodukt 2020 um gut 3,1 Prozent gefallen ist, hat es die Rüstungsindustrie geschafft, um 1,3 Prozent zuzulegen", sagte Sipri-Forscherin Alexandra Marksteiner der Deutschen Presse-Agentur. "Wir interpretieren das als Hinweis darauf, dass sich die globale Rüstungsproduktion als recht widerstandsfähig gegenüber dem Schock der Covid-19-Pandemie und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Abschwung erweist."

Bereits ein im Frühjahr veröffentlichter Sipri-Bericht hatte gezeigt, dass die Länder der Erde im abgelaufenen Jahr trotz Pandemie mehr Geld in ihre Militärapparate steckten als zuvor. In weiten Teilen der Welt seien die Militärausgaben gewachsen, so die deutsch-österreichische Expertin Marksteiner. Manche Regierungen hätten ihre Zahlungen gar beschleunigt, um die Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern.

Klarer Marktführer im internationalen Rüstungsgeschäft bleiben die USA. Seit 2018 nehmen US-Konzerne durchweg die fünf Spitzenpositionen im Ranking ein. Die 41 US-Unternehmen unter den Top 100 setzten insgesamt 285 Milliarden Dollar (+1,9%) um - mehr als die Hälfte (54 Prozent) aller Verkäufe. Auf Platz zwei folgt China mit 13 Prozent, dahinter Großbritannien mit 7,1 Prozent. Russland auf Rang vier hingegen erlebte einen deutlichen Rückgang um 6,5 Prozent.

Damit setzte sich der Abwärtstrend seit dem Höchststand russischer Rüstungsverkäufe 2017 fort. Sipri macht zwei Gründe aus: Zum einen sei das staatliche Aufrüstungsprogramm 2020 zu Ende gegangen. Es gebe aber auch Anhaltspunkte dafür, dass sich die Pandemie ausgewirkt habe. Einige Konzerne hätten Waffenlieferungen verschieben müssen: Wird nichts geliefert, wird auch nicht gezahlt. Auch Frankreichs Unternehmen verzeichneten einen Rückgang, um 7,7 Prozent.

Deutschland liegt mit einem Gesamtzuwachs um 1,3 Prozent im Durchschnitt. Zugleich gibt es bei den vier deutschen Konzernen in den Top 100 deutliche Unterschiede. Die Rüstungsverkäufe von Rheinmetall (Rang 27) sowie Hensoldt (78) wuchsen Sipri zufolge um 5,2 beziehungsweise 7,9 Prozent. Der Schiffbauer ThyssenKrupp (55) und Krauss-Maffei Wegmann (70) kommen dagegen auf ein Minus von 3,7 beziehungsweise 7,5 Prozent. Insgesamt belaufen sich die Verkäufe der vier deutschen Konzerne auf 8,9 Milliarden Dollar.

Alle vier stehen im Ranking höher als 2019 - das sei erschreckend, so der Greenpeace-Abrüstungsexperte Alexander Lurz. "Dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung ist es nun, zumindest die Waffenverkäufe deutscher Rüstungskonzerne an Diktaturen und menschenrechtsverletzende Regime zu stoppen." Es sei beschämend, dass ausgerechnet die Rüstungsindustrie ihre Umsätze steigern könne. Die Ampelkoalition müsse die Militärausgaben drastisch senken und das Geld in Gesundheit, Soziales und Klimaschutz stecken.

Das katholische Hilfswerk Misereor kritisierte, die Staaten der Erde setzten in Krisenzeiten die falschen Prioritäten. Waffengeschäfte seien ebenfalls eine Art globale Pandemie, sagte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch er forderte, die neue Bundesregierung müsse ernst machen bei Waffenexportkontrolle und Abrüstung.

Der Flugzeugbauer Airbus wird von Sipri als transeuropäischer Konzern betrachtet. Mit einem Anstieg um 5,7 Prozent auf knapp 12 Milliarden Dollar stieg der Konzern von Rang 13 auf Platz 11. Sipri zählt zu den Waffenverkäufen der 100 größten Konzerne jeglichen Verkauf von schweren Waffen und militärischen Dienstleistungen. Seit 2015, als Sipri erstmals auch Daten chinesischer Unternehmen auflistete, betrug der Zuwachs 17 Prozent./trs/DP/mis